Krieg - Terror - Kunst (Seminar)

Dr. Mário Gomes
Krieg - Terror - Kunst

Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Dienstags, 14-16 Uhr, wöchentlich ab 2.5.2017, Hardenbergstr. 33, Raum 151

Wenige Tage nach den Anschlägen des 11. September 2001 erklärte Karlheinz Stockhausen in einem Radiointerview, der orchestrierte Angriff auf die Twin Towers sei „das größtmögliche Kunstwerk, was es je gegeben hat“; eine Sicht der Dinge, der sich später auch Franco Piperno anschloss, für den der Anschlag „das erhabene Werk einer Handvoll avantgardistischer Intellektueller“ darstellte.

Sosehr Stockhausen und Piperno mit ihren Beobachtungen für Entrüstung sorgten: Sie benannten eine Form der Ästhetisierung und Mediatisierung von Gewalt, die ohne eine scharfe Dissoziation von Ästhetik und Ethik, ohne eine Trennung des „Schönen“ vom „Guten“ nicht angemessen zu problematisieren ist. Dass Medialisierung und Ästhetisierung intrinsisch zusammenhängen, ist allerdings keine neue Feststellung. Im Hinblick auf den modernen Terrorismus beobachtete Jean Baudrillard bereits Ende der 1970er, dass das „Spektakel des Terrorismus“ den „Terrorismus des Spektakels“ erzwinge, und auch Vilém Flusser erkannte früh die mediale Strategie eines Terrorismus, der darauf ausgerichtet ist, Explosionen in den Köpfen der Zuschauer zu erzeugen. Doch nicht nur Terrorismus, auch der Krieg ist spätestens seit der Live-Übertragung des ersten Golfkriegs nicht anders denn als Medien- und somit auch ästhetisches Ereignis zu denken, das sich fortschreitend an die Ästhetik von Fernsehshows und Videospielen angleicht und diese wiederum – in einer rekursiven Schleife – nährt und prägt. Auch wenn der Fokus des Seminars auf der Gegenwart liegen soll, werden mit Sun Tsus „Über die Kriegskunst“ und Clausewitz' „Vom Kriege“ auch Auszüge aus zwei Standardwerken der Kriegstheorie besprochen und in Zusammenhang mit neueren Reflexionen und Darstellungen gebracht.

Literatur:
Baudrillard, Jean: Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen, Merve, Berlin 1978.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 1, Ferdinand Dümmler, Berlin 1832.
Flusser, Vilém: Kommunikologie, Fischer, Frankfurt/Main 1998.
Sun Tsu: Über die Kriegskunst. Übersetzt von Klaus Leibnitz, Info-Verlag, Karlsruhe 1989.
Virilio, Paul/Lotringer, Sylvère: Pure War, Semiotext(e), Los Angeles 1997/2007.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: aktive und regelmäßige Teilnahme; Textlektüre; Referat oder kurze Hausarbeit.

Mário Gomes, geb. 1978, Studium der Sprach- und Literaturwissenschaften in Lissabon und Bonn. Promotion im Rahmen eines deutsch italienischen Promotionskollegs an den Universitäten Bonn und Florenz zum „Inneren Monolog“. Derzeit Dozent für Deutsch als Fremdsprache in Berlin sowie freier Autor und Filmemacher.