Das Wissen der Gene (Seminar)

Dr. Julia Diekämper
Das Wissen der Gene
Seminar, 2 SWS, 2 LP
Freitags, 10-12 Uhr, wöchentlich ab 4.11.2016, Hardenbergstr. 33, Raum 004
ab Januar 2017 nicht mehr wöchentlich sondern Doppelsitzungen: 8-12 Uhr: am 20.1.2017, 27.1.2017, 10.2.2017

Wirklich romantisch klingt es nicht, das Angebot einer Partnerbörse, geeignete Kandidaten mittels eines DNA-Tests auf Passgenauigkeit zum eigenen Leben hin zu befragen. Das Angebot aber, auch in Liebeslebensdingen auf Nummer sicher zu gehen und schon zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Interessierten noch nie gesehen haben, durch einen Speicheltest herauszufinden, wie hoch ihre Reproduktionswahrscheinlichkeit liegt, ist offensichtlich bestechend. Ein solcher Gentest, der sich online ordern lässt, ist einer von vielen, mit denen weltweit Unternehmen auf den Markt drängen und neben personalisierten Diäten etwa auch versprechen, das Alzheimerrisiko zu ermitteln. Auf diesem Markt konkurrieren sowohl diagnostische und prädiktive Untersuchungen wie auch Lifestyle-Angebote. Subjekte sind durch sie angesprochen und aufgefordert, sich vorausschauend zu verhalten. Das heißt, vor dem Hintergrund eines bestimmten Risikobewusstseins (Krankheitsdisposition, Schönheitsideale, soziale Isolation) zeichnet sich ein Ausweg ab, den mündige Konsumenten bereitwillig gehen, um scheinbar selbstbestimmt Sorge für sich zu tragen. Bei näherer Betrachtung allerdings wird offensichtlich, dass die Inanspruchnahme entsprechender Angebote nichts anders bedeutet, als den Eintritt in eine höchst paternalistische Sphäre. Und diese ist vorstrukturiert durch biologische Daten und Determinanten. Dies wirft grundlegende Fragen nach der Produktion und Wirkmächtigkeit eines solchen biopolitischen Wissens auf.

Im Seminar diskutieren wir gemeinsam, welche Mechanismen von Selbsttechniken in Bezug auf den eigenen Körper hier eine Rolle spielen und welche Beweiskraft und Autorität genetischen Daten zugeschrieben wird. Wir beleuchten die gesellschaftspolitische Relevanz naturwissenschaftlichen Wissens (etwa in Asylverfahren) und befragen sie auf ihre maßgeblichen Werte und Normen indem wir ihr Einsickern in unsere Lebenswirklichkeit nachvollziehen. Gemeinsam diskutieren wir Texte, analysieren Zeitungsartikel und Filme.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige, aktive Teilnahme, Textlektüre, Übernahme von Seminarverantwortlichkeiten.

Julia Diekämper ist Kulturwissenschaftlerin. Sie lehrte an der Universität Bremen, an der Hafen City Universität Hamburg, an der Humboldt Universität zu Berlin und an der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald und ist als Autorin tätig. Zudem gibt sie regelmäßig Workshops. Seit ihrer Promotion ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht an der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften tätig (www.gentechnologiebericht.de). Ihre Forschungsschwerpunkte sind Biopolitik, Bioethik, Wissenschaftsgeschichte und Diskurstheorie.