Schuld, Schulden und Erlösung: Über Moral und Kapitalismus (Seminar)

Christian Schüle
Schuld, Schulden und Erlösung: Über Moral und Kapitalismus

Seminar, 2 SWS, 2 LP
Freitags, 14-18 Uhr, 14tägig ab 28.10.2016 (8 Termine: 28.10., 11.11., 25.11., 9.12.2016, 6.1., 20.1., 3.2., 17.2.2017), Hardenbergstr. 33, Raum 102

Wie kein anderes Wirtschaftssystem basiert der Kapitalismus auf Glauben und Erlösung. Moralische Schuld und ökonomische Schulden liegen eng bei einander. Dem Kredit (lateinisch credere, glauben) etwa liegt der gute Glaube an den Gläubiger als Vorschussleistung zugrunde. Der Übergang vom Glauben an göttliche Instanzen zum Glauben an die individuelle Erlösung des Einzelnen durch Geld beschreibt eine faszinierende Transformation des Heiligen ins Ökonomische - Investition und Rendite lassen sich ebenso religiös wie ökonomisch lesen. Die Verschuldung des Menschen ist sowohl eine Frage theologischer wie auch finanzieller Qualität.

Anhand legendärer klassischer Primärtexte (Benjamin, Weber, Simmel) sowie neuerer kulturwissenschaftlicher Studien (von Braun, Graeber) klären wir auf, inwieweit das kapitalistische System im Grundsatz eine Religion mit säkularer Erlösung ist; wir arbeiten die Analogien zwischen Gott und Götze heraus und stellen uns die auch für heutige wie künftige gesellschaftsphilosophische Diskurse entscheidende Frage: Basiert der Kapitalismus auf Moral - oder trifft genau das Gegenteil zu: Ist das System darauf angelegt, Moral zu vertreiben?

Literatur:
Benjamin, Walter: Kapitalismus als Religion.
Graeber, David: Schulden. Die ersten 5000 Jahre.
Simmel, Georg: Philosophie des Geldes.
von Braun, Christina: Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte.
Weber, Max: Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Aktive Teilnahme und regelmäßige Präsenz; Diskussionsfreude und Meinungsstärke; ein 10-15 minütiges Referat sowie eine Abschlussarbeit in Form eines 3 bis 5-seitigen Essays, eines selbst gestalteten Kunstwerks oder irgend einer anderen freien künstlerischen Arbeit, die eine klare persönliche Position zu Thema und Grundthese des Seminars vertritt.

Christian Schüle, Jahrgang 1970, studierte Philosophie, Soziologie und Politische Wissenschaften in München und Wien. Er war Redakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT und lebt als freier Schriftsteller, Essayist und Publizist in Hamburg. Seine Texte wurden mehrfach ausgezeichnet. Er leitete Thinktanks zur Analyse einer kommenden Gesellschaft. Unter seinen bisher acht Büchern erschienen zuletzt der Roman „Das Ende unserer Tage“ sowie die Essays „Vom Ich zum Wir“, „Wie wir sterben lernen“ und „Was ist Gerechtigkeit heute?“. Schüle unterrichtet wiederkehrend im Studium Generale der Universität der Künste Berlin. Weitere Informationen unter www.christianschüle.de.