Semesterthema WS 2016/17: "Übergänge"

Von A nach B kann es schnell und bequem gehen und man erlebt sofort einen anderen Zustand - wie beim Gang in die Badewanne. Es kann aber auch ungemütlich und voller Irritationen zugehen - wie beim Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter. Oder gar riskant und voller Brüche - wie in Fällen der freiwilligen und besonders der erzwungenen Migration. Natur und Kultur haben Strategien entwickelt, beim Übergang vom Zustand A nach Zustand B Brücken und Schwellen als Phasen des Übergangs (Rituale, Pubertät, Warteräume, Lager, Medien der Übertragung vom Unmittelbaren ins Gestaltete) zu etablieren, die einmal den Übergang erleichtern und stützen, ein anderes mal aber auch brutal verstärken. Der Schwellenzauber, von dem Walter Benjamin gesprochen hat, kann der Übergang vom Interieur zum Exterieur im städtischen Raum bezeichnen oder die besondere, weil auch kurze Dauer zwischen einer warmen, grünen und einer kalten, grauen Jahreszeit oder zwischen Tag und Nacht mit den besonderen Schwellenstimmungen am Abend und am Morgen. Der Schwellenzauber wird aber zum Schwellenhorror, wenn Frieden in Krieg übergeht, wenn man mit Gewalt und Macht zum Übergang in ein inhumanes Leben gezwungen wird oder wenn ein Epochen- und Systemübergang (was zum Beispiel mit allen "post"-Vorsilben bezeichnet wird: posttraditional, postindustriell, postmodern, postsozialistisch, postdemokratisch o.ä.) bei den Beteiligten große Orientierungsängste auslöst.

Erlebbar sind Übergänge in allen Bereichen des Lebens; deshalb werden sie auch in zahlreichen Natur- wie Kulturwissenschaften erforscht. Übergänge haben eine räumliche und zeitliche Seite, eine psychologische und biologische, eine physikalische und historische, eine politische und eine ästhetische - und weitere. Das Semesterprogramm im WS 2016/17 wird dort, wo es das Semesterthema aufgreift, vor allem kulturwissenschaftlich-gesellschaftspolitische und künstlerische Seiten des Übergang-Themas beleuchten. Sobald sich Erlebnisse und Erfahrungen einstellen, merkt man dies daran, dass zwischen einem Vorher und Nachher etwas passiert, sich etwas verändert. In der Wahrnehmung, in der Einstellung. Die Künste fühlen sich in besonderer Weise dazu herausgefordert, diese Differenz zwischen A und B und dem anderen und ungleichen Zustand, der nach einer Erfahrung und einem Erlebnis eintritt, darzustellen und zu gestalten. Die künstlerischen Mittel, die dabei ins Spiel gebracht werden, sind selbst schon Transitionsmittel zwischen Unmittelbarem und Gestaltetem - und zwar in allen Künsten.

Eine breite Palette von Aspekten des Übergangs, sei er sanft oder jäh, beglückend oder bedrohlich, laut oder leise, horizonterweiternd oder schockierend, wird in den Veranstaltungen entfaltet, diskutiert, erforscht und in künstlerischen Projekten gestaltet werden. Wie beispielsweise der Übergang von analog zu digital, wie die Übergänge von künstlerischen Leitbildern, von Licht und Schatten, bei Grenzgängern, an der Schwelle vom Dokumentarischen zum Fiktiven. Aber auch dort, wo Zeichnungen urbane Orte des Übergangs skizzieren oder wo Klangrouten den Übergang von Klangwahrnehmung zur Klangperformance nachzeichnen. Oder anlässlich der großen Übergangsfigur, der "Metamorphose". Immer ist die Frage auch: eher Übergang oder eher Bruch?