Interview mit Ehsan Khatibi

Komponist von „Assonanz“ für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester

Uraufführung  am 20. November 2015 im Rahmen desKonzerts für die NationendesSymphonieorchesters der UdK Berlin mit Harry Curtis, Dirigent, Marie Amamoto, Klavier, Mayu Tomotaki, Violine, Chiara Enderle, Violoncello

Ehsan Khatibi wurde 1979 in Teheran geboren.

Ehsan Khatibi, Komponist

 Quelle: Parastoo Kiumarsi

Zur Zeit sind Sie Master-Student im Fach Komposition an der UdK Berlin. Im Konzert für die Nationen 2015 wird Ihre jüngste Komposition für eine größere Besetzung uraufgeführt. Welche Herausforderung stellte es für Sie dar, für ein ganzes Orchester zu komponieren?

Diese Komposition ist meine erste für ein Symphonieorchester, die aufgeführt wird, eine frühere Komposition ist noch nicht erklungen. Insofern stellte sie eine große Herausforderung für mich da, vor allem, weil es noch die drei Soloinstrumente gibt. Und diese Besetzung ist eine ganz neue Erfahrung für mich. Es handelt sich ja um ein klassisches Klaviertrio mit Orchester. Die bekannteste Komposition mit dieser Besetzung ist sicherlich Beethovens sogenanntes Tripelkonzert. Aber ich habe meine Komposition bewusst nicht Tripelkonzert genannt, sondern „Assonanz“ für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester.      

„Assonanz“ ist Ihre erste Komposition für das Symphonieorchester der UdK Berlin. Wie kam es dazu?

Die Dirigier- und die Kompositionsabteilung der UdK sind auf mich zugekommen. Sie kannten meine Arbeit bereits aus einem Workshop für Neukompositionen mit Mitgliedern des Symphonieorchesters der UdK Berlin. So wurde ich gebeten, die Besetzung des Abends gern zu nutzen und ein kurzes Orchesterstück zu schreiben. Ich habe mich entschieden, die drei Soloparts auch in meinem Werk zu besetzen, was mir ermöglicht wurde. Und so habe ich den ganzen Sommer mit dieser Komposition verbracht.

Wie laufen die Phasen des Komponierens bei Ihnen ab, wie entsteht ein neues Stück?

Eine neue Komposition kann in unterschiedlicher Weise Gestalt annehmen. Meist nehme ich mir zuerst Zeit für die Konzeption des neuen Stückes, sammle die Klangmaterialien, lasse mich von kompositorischen und klanglichen Ideen inspirieren – manchmal erhalte ich auch einen außermusikalischen Impuls – und finde eine Struktur. Das nimmt viel Raum ein, bevor ich dann mit der Niederschrift der musikalischen Ideen beginne. Das ist ein Prozess, währenddessen sich die Komposition entwickelt. Natürlich ist es jedes Mal anders und neu. Teilweise nutze ich das Klavier. Auf dem kann ich jedoch nicht alle gewünschten Klänge erproben. Für „Assonanz“ habe ich auch auf Geige und Cello probiert, wofür ich mir letzteres extra zugelegt habe.
Wenn es möglich ist, arbeite ich sehr gern in direktem Kontakt mit den Ausführenden der neuen Komposition. Sie beraten mich über die Spielweisen auf ihrem Instrument und die Möglichkeiten, die es gibt.  Das kann auch ein richtiges gemeinsames Experimentieren sein. Wenn das möglich ist, freue ich mich sehr – nicht nur für das musikalische Ergebnis, auch für mich persönlich, denn letztlich ist das Komponieren eine sehr einsame Tätigkeit. Die Zusammenarbeit mit den Ausführenden ist immer eine tolle Erfahrung für mich. Ich sehe, wie die Musiker mit meinen Noten umgehen, auch aus ihren verschiedenen Kontexten kommend. Das ist sehr interessant und beglückend für mich.
Die Solistinnen der „Assonanz“-Uraufführung waren zu meinem Freude begeistert von meinen Noten und fanden es spannend, sie zu erarbeiten. Für das Orchester wird meine Komposition wohl eine neue Herausforderung sein, hoffentlich auch eine begeisternde!

Welche Beziehung haben Sie selbst zur Musik von Beethoven? Und in welcher Beziehung steht „Assonanz“ zu Beethovens „Tripelkonzert“?

Beethoven gehört neben Bach zu meinen musikalischen Vorbildern, aber auch Mozart und viele andere Komponisten aus dem westlichen Kulturkreis sowie iranische komponierende Musiker. Seine Musik habe ich sehr früh kennengelernt, fast gleichzeitig mit der persischen klassischen Musik, die ich mit etwa neun Jahren begann zu lernen, auf dem Santur, dem persischen Hackbrett, und in der Theorie – mit der ich mich also vergleichsweise früh beschäftigt habe.
In diesem Konzert für die Nationen steht Beethoven im Mittelpunkt des sehr gelungenen Programms, dazu kommen zwei auf ihn bezogene neue Werke. In Bezug auf meine Komposition muss ich die Hörerinnen und Hörer vor einer Enttäuschung warnen, die sofort problemlos klar hörbare Bezüge zu Beethoven, wie deutliche Zitate, erwarten. Es ist eben eine ganz neue eigenständige Komposition, die mit den wesentlichen Ideen und Materialien des „Tripelkonzerts“ als Klanggrundlage arbeitet. So entstand auch der metaphorische Name „Assonanz“. Das Orchester hat, anders als in Beethovens „Tripelkonzert“, nicht vordergründig begleitende Funktion. Es geht auch hier um Kommunikation. Das Klavier beginnt solistisch. Später gibt es auch solistische Parts der mittleren Streicher und weitere. Ich habe zudem die beethovensche klangliche Hierarchie gebrochen. Mir ist nicht Virtuosität wichtig, sondern die Qualität und Intensität der Klänge. Es ist eben kein klassisches Konzert. Es geht um den Klang selbst, um des Wandern der Klänge. Es gibt Cluster, nicht-reine Tonhöhen, Geräusche, schwer beschreibbare Klänge, viel Perkussives...

Ein Santur ist nicht das Soloinstrument in „Assonanz“. Wie stehen Sie zu Projekten, die die Musiken verschiedener Kulturen miteinander verbinden? Machen Sie das auch?

Es gibt sehr schöne kulturübergreifende, kulturverbindende Projekte, gerade auch in der Musik. Die sind interessant und sehr spannend. Ich persönlich jedoch empfinde das nicht als meine Aufgabe als freier Künstler. Ich lasse mich inspirieren und verarbeite Klänge, bewusst und unbewusst. Aber ich wüsste nicht einmal, wie ich sie kategorisieren sollte. Nach bestimmten Regionen oder Traditionen? Ich denke nicht auf diese Weise. Ich verarbeite in meinen Kompositionen alles, was mich ästhetisch interessiert und musikalisch antreibt, egal woher es stammt. Vielleicht verbinde ich also Materialien verschiedener Welten unbewusst, aber nicht zielgerichtet.

Was ist das Ziel Ihres kompositorischen Schaffens?

Komponieren ist Begegnung mit der Welt, ein Weg zu kommunizieren. Ich möchte meine Auseinandersetzung mit der globalisierten Welt zum klingenden Ausdruck bringen und dafür meine eigene Sprache entwickeln. Und Globalisierung meine ich nicht nur als Begriff, sondern auch aus meiner persönlichen Erfahrung schon während meines Aufenthalts in Asien, mit seinen engen Kontakten u. a. zum Westen, und auch hier. Die Regionen und ihre Kulturen existieren nicht für sich allein, sie sind in ständiger Auseinandersetzung miteinander. Die Klänge, die Musik sind für mich ein Mittel der Kommunikation. Komponieren oder Kunst im allgemeinen hat nicht das Ziel, Spaß zu machen, obwohl man den bei der Ausübung auch hat. Ich stelle mir während des Komponierens jedes Mal die grundsätzlichen und schmerzhaften Fragen, was habe ich bisher gemacht, wo stehe ich jetzt und was will ich nun machen. Das ist ganz entscheidend und passiert vor der Organisation der Klänge. Ohne diese Gedanken würde ein anderes Stück entstehen.

Sie haben an der Universität der Künste Teheran Komposition studiert, dann an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf, nun an der UdK Berlin. Wie unterscheiden sich die vermittelten Inhalte voneinander, was verbindet sie? Welche Impulse erhalten Sie hier?

Im Iran schätzt man die Verbindungen von klassischer persischer Musik zu der eigenen Komposition, was ich gut finde. Es gibt einem eine klare Richtung vor, engt aber demzufolge auch ein. Man hat dort übrigens wesentlich mehr privaten Unterricht bei wichtigen Musikerpersönlichkeiten, auch in Theorie, Kontrapunkt usw. Sie sind nicht immer Professoren an einer Universität.
In Deutschland habe ich deutlich mehr Freiheiten während des Studiums und lerne viel mehr verschiedenartige ästhetische Denkarten, Musikstile, kennen. Und von Prof. Elena Mendoza erhalte ich sehr wertvolle Impulse. Sie hat mir kompositorische Denkweisen, Richtungen und Themen verschiedener Komponisten aufgezeigt, die ich zwar kannte, aber mit denen ich mich erst jetzt ausführlicher beschäftigt habe, was mich sehr inspiriert. Sie gibt mir sehr konstruktives Feedback und schlägt mir die Beschäftigung mit für mich hilfreichen Werken vor. Hier kann ich meine eigene Musiksprache entwickeln. Dafür bin ich sehr dankbar.  

Das Gespräch führte Constanze Beger. Hier finden Sie es als pdf zum Download.