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Unsere Gründer/innen
 

Foto: WISTA Management

 

"Man darf sich nie auf die Fantasie der anderen verlassen". Im Gespräch mit Thomas Grandoch, UdK-Alumnus und Mitgründer von tvib

Sie haben gemeinsam mit Marc Holtbecker und Jens Schumann die Firma storyfeed, später dann tvib, gegründet. Was war Ihre Geschäftsidee?

 

Wir haben eine Technologie entwickelt, um TV- und Online-Werbung zu synchronisieren und das Zusammenspiel beider Werbekanäle zu optimieren. Unsere Software misst den Zusammenhang zwischen TV-Werbespots und den Besucherzahlen auf einer bestimmten Website. Mit diesem Wissen wiederum kann Online-Werbung besser auf TV-Werbung ausgerichtet werden. Hintergrund unserer Idee war, dass wir zunehmend auf mehreren Geräten gleichzeitig unterwegs sind - wir schauen fern und surfen parallel mit dem Smartphone im Internet - und gleichzeitig TV-Werbung sich zunehmend auf den Online-Markt ausrichtet. Warum soll sich dann die Werbung in beiden Medien nicht sinnvoll ergänzen?

 

Welche Erfahrungen aus Ihrer Gründerzeit möchten Sie heute nicht missen?

 

Das Wichtigste ist sicher, dass man sofort eine wahnsinnig große Verantwortung hat. Als Selbständiger nimmt dir niemand etwas ab - auch keine schweren Entscheidungen. Ich war zum Beispiel Geschäftsführer in unserem Unternehmen und gezwungen, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Man wirft sich selbst ins kalte Wasser und lernt viel schneller, als wenn man durch einen Vorgesetzten angeleitet wird. Toll an der Selbständigkeit ist auch, dass man sehr schnell auf Augenhöhe mit wichtigen Geschäftspartnern ist. Hätte ich in der Entwicklungsabteilung eines großen Unternehmens gearbeitet, hätte ich mit der gleichen Arbeit in der Hierarchie sehr viel weiter unten gestanden. Als Geschäftsführer eines Startups war ich ein gleichwertiger Business-Partner. Da ergeben sich spannende Gespräche, die ich als Mitarbeiter nie gehabt hätte.

 

Gibt es etwas, das Sie im Nachhinein anders machen würden?

 

Wenn ich zurückblicke, dann würde ich heute zwei Dinge sehr viel früher angehen. Zum Ersten sind das Gespräche mit potenziellen Kunden, zum Zweiten die Entwicklung eines konkreten Produktes. Der optimale Ablauf einer Gründung sieht so aus: Man hat eine Idee und findet anschließend Leute, welche die Entwicklung finanzieren. Aber so läuft es in der Regel nicht. Man braucht schon früh einen Protoptypen, um andere für die eigene Idee begeistern zu können. Im Studium beschäftigt man sich sehr viel mit theoretischen Inhalten, die aber draußen keinen mehr interessieren. Wir waren mit unserer Firma zu lange in medientheoretischem Denken verhaftet und haben zu spät ein Produkt in der Hand gehabt. Das ist aber das, was die Leute interessiert. Dabei muss man sehr konkret erklären können, wie man sich eine Partnerschaft zum Beispiel mit einem größeren Unternehmen vorstellt und wie der Kunde von einer Zusammenarbeit profitieren könnte. Der größte Fehler ist, sich auf die Fantasie von anderen - Kunden, Geschäftspartnern - zu verlassen, nach dem Motto: "der versteht schon, was ich meine."

 

Hat das Scheitern von Gründungen in Deutschland ein zu negatives Image?

 

Ich finde den Begriff "Scheitern" zu einseitig, da er nur auf die ökonomische Perspektive zielt. Beim Gründen geht es für die Gründer/innen aber noch um deutlich mehr. Natürlich muss man als Gründer/in Geld verdienen können mit seinem Produkt. Wenn man das kann, und sei es durch einen Verkauf, wie wir das mit tvib gemacht haben, dann ist man ökonomisch betrachtet nicht gescheitert - auch wenn es das Unternehmen hinterher nicht mehr gibt. Es ist eine Frage der Perspektive. Für die Gründer/innen bleiben immer die Erfahrungen und Lernprozesse, man entwickelt sich weiter - das würde ich alles nicht als Scheitern bezeichnen. Oft entwickeln sich Prozesse anders als geplant. Die größte Herausforderung besteht darin, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen: Hat das, was wir da machen, noch eine Perspektive? Können wir die wirtschaftlichen Folgen tragen? Oder sollte man besser versuchen, noch einen Käufer zu finden, um wie in unserem Fall, wenigstens die Technologie zu retten? Wichtig sind Deadlines zum Beginn der Gründung: Was will ich mit dem Unternehmen wann erreicht haben? Was muss gegeben sein, um eine Deadline noch einmal nach hinten verschieben zu können? Wenn man diese Ziele nicht definiert, ziehen sich Misserfolge unnötig in die Länge. Wenn man einmal im Prozess ist, ist es sehr schwer, spontan einen Ausgang zu finden. Letztendlich - ob erfolgreich oder nicht, interessiert zumindest in der Medienbranche nachher keinen mehr. Gründer/innen sind opfer- und risikobereit und Gründen ist eine harte Schule - das zählt am Ende mehr als die Frage, ob sich das Unternehmen nach Plan entwickelt hat.

 

Würden Sie wieder gründen?

 

Grundsätzlich ja. Vielleicht nicht unbedingt sofort, aber mit einem guten Team - das ist am wichtigsten - und einer Idee, an die ich glaube, würde ich das schon gerne noch einmal machen. Warum nicht auch wieder in der Medienbranche, wobei ich ehrlich sagen muss, dass ich auch gerne mal ein Produkt zum Anfassen hätte.

 

Sie sitzen in der Jury für das Creative Prototyping-Stipendium der UdK Berlin. Was raten Sie als Juror den Gründer/innen?

 

Machen Sie in Ihrer Bewerbung deutlich, warum Kunden für Ihr Produkt oder Ihre Idee Geld bezahlen wollen. Eine noch so sorgfältig recherchierte und evaluierte Zielgruppe, ein noch so schlüssig kalkuliertes Marktvolumen und -potenzial bringt Ihnen nichts, wenn die potenziellen Kunden nachher keine Kaufmotivation haben. Nur weil etwas geht, heißt das noch lange nicht, dass Leute auch Geld dafür bezahlen. Und: Wenn man zwei Leute gefunden hat, die Geld für ein Produkt ausgeben würden, heißt das noch nicht, dass andere das auch machen würden. Viel wichtiger als Fantasiezahlen über die Größe des Marktes ist die Frage nach der Zahlungsmotivation. Wenn Sie plausibel erklären können, warum Leute für Ihr Produkt Geld bezahlen wollen, dann wird es auch einen Markt dafür geben. Im Kreativbereich gibt es außerdem noch die Schwierigkeit, dass es bei Kunst ja eigentlich nicht um den (Kunden-)Nutzen geht - bei Geschäftsmodellen aber schon. Kunst und Geschäft müssen also miteinander verheiratet werden. Wenn Sie diesen Spagat hinbekommen, wird es richtig interessant.

 

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