Stefan Hayn

STRAUB – Geht die Geschichte weiter

Welche Antworten gibt das Straub-Huilletsche Werk auf die Frage nach der Traditionsbildung – was verwerfen, was behalten? Eröffnen die Filme einen Weg für nachfolgende Generationen?

In einer eigenständigen essayistischen Form nähert sich der Film von Stefan Hayn über die malerische Vergegenwärtigung den Straubfilmen. Sein Vorhaben ist getragen von langjähriger Kenntnis und Auseinandersetzung und nicht zuletzt von persönlicher Freundschaft mit den Filmemachern.

"Stefan Hayn constantly resists bowing to our expectations of form and genre. His films translate reality rather than reproducing it, often as ‘alien detail’," as one critic wrote.
geboren 1965 in Rothenburg ob der Tauber, seit 1986 in Berlin
seit 1990 Veröffentlichung von bisher 16 Filmen, Texten, Malerei und Zeichnungen
seit 2000 Filme in Zusammenarbeit mit Anja-Christin Remmert, zwei gemeinsame Kinder

Ausbildung:
1986-93 Malerei- und Filmstudium an der Hochschule der Künste Berlin bei Prof. Shinkichi Tajiri, Christoph Janetzko und Prof. Rebecca Horn, Meisterschüler
1994 Stipendium Franklin Furnace/New School of Social Research, New York
1994/95 Gasthörer Experimentelle Filmgestaltung bei Prof. Heinz Emigholz
1995 Regieseminar bei Straub-Huillet an der Justus-Liebig-Universität Gießen
1995-98 Dokumentarfilmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg bei Prof. Thomas Schadt und Prof. Helga Reidemeister

Zusammenarbeit mit Klaus Barm (Filmmusik und Originalton), Bernadette Paassen, Patrick Popow und Knut Schmitz (Filmfotografie), Bernd Sass (Textregie), Stefan Flach (Drehbuch), Dörte Völz-Mammarella (Schnitt)

alle Filme sind im Verleih von Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. (und archiviert bei der Stiftung Deutsche Kinemathek/Filmmuseum Berlin)

Film und Malerei

Seit vielen Jahren ist das Verhältnis von Film und Malerei Gegenstand meiner künstlerischen Arbeit.
In Textveröffentlichungen, dokumentarisch-essayistischen und fiktionalen Kurz- und Langfilmen, sowie in thematischen Serien von gemalten Bildern untersuche ich die zwischenmenschlich-gesellschaftlichen Auswirkungen heutiger Bilderproduktion und -rezeption.
Meine Filme, Bilder und Texte gehen von der Beobachtung aus, dass die neuen digitalen Bildmedien malerische und filmische Arbeitsprozesse und Rezeptionsweisen vermischen. Nicht selten treten dadurch unüberschaubare, oft unfreiwillig ideologisch kodierte Amalgam-Bilder vor prekäre Lebenswirklichkeiten. Sichtbarkeit und Erfahrung werden problematisch.

Das Filmprojekt „STRAUB – Geht die Geschichte weiter?“ knüpft auf komplementäre Weise an meinen im Jahr 2005 fertig gestellten und veröffentlichten Kino- und Fernsehfilm „Malerei heute“ an.
Während „Malerei heute“ Werbe- und Wahlplakate der Nach-Kohl/Schröderära (1998-2004) in Form von Pleinair-Aquarellen dokumentierte und die Malerei als reproduzierte auf die Zeitachse einer Gegenerzählung montiert hat (die fragwürdigen Prämissen der neoliberalen Sozialstaatswende werden in Kinofilm unmittelbar erfahr- und sichtbar), geht das neue Filmprojekt vom extremen Gegenteil aus. Diesmal sind der Gegenstand der malerisch-filmischen Untersuchung nicht die verkaufstrategischen, omnipräsent öffentlichen (Werbe-)Bilder, sondern ein hierzulande ins Ephemer-Randständige abgedrängtes bild-künstlerisches Werk, das seit den 60er Jahren Maßstäbe für ein sich emanzipatorisch verstehendes Bildermachen und –tradieren gesetzt hat. Die Filme von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet loten als weitreichende individual-künstlerische Statements aus, was innerhalb der sozialstaatlich geprägten und industriell ausgelegten Kino- und Fernsehlandschaft in Europa als Einspruch möglich war.
Welche Relevanz hat diese ästhetisch-politische Emanzipationsvorstellung unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen für Nachfolgende?

Wieder steht ein offener malerischer Prozess am Beginn meiner Arbeit. Im Atelier entstehen seit 2006 „Erinnerungsbilder“, die sich auf ganz persönliche Weise mit dem filmkünstlerischen Erbe auseinandersetzen. Ausgehend von der motivischen Inhaltlichkeit erforscht die Malerei immer grundsätzlicher die historischen und psychologischen Implikationen des Straub/Huillet-Werks.

Im Rahmen des Stipendiums sollen die bildnerischen und gedanklichen Vorarbeiten zu einem 60-minütigen essayistischen Film weiterentwickelt werden. Gemäß seines Gegenstandes – die Straubfilme verarbeiten durchgängig ästhetisch vorgeformtes Material aus der Musik, der bildenden und darstellenden Kunst sowie dem literarischen Schreiben – ist er transdisziplinär angelegt.

Ich möchte im Zusammenhang mit der Entwicklung und Fertigstellung des Films auch ein Forum eröffnen, in dem das Verhältnis von Film (bzw. Kino) und Malerei aus unterschiedlichen Perspektiven und über das Projekt hinausweisend diskutiert wird. Eine von mir verantwortete Lehrveranstaltung mit Filmreihe wird im Stipendienzeitraum durchgeführt.

Stefan Hayn

Textveröffentlichungen

Texte zu/von Stefan Hayn

• Kino und Malerei (I) Programmhefttext zur Seminarreihe im Kino Arsenal Januar 2013
Sozialdienstleister von Bert Rebhandl in CARGO Film/Medien/Kultur 12/2010
• Hilfe auf dem Markt von Madeleine Bernstorff in „taz“ 9.12.2010
• What to put on top of Jack Smith’s Memorial Christmas Tree?, dtsch. Übersetzung des engl. Filmtextes im Buch „bild:schön“, Hg: Dorothée von Diepenbroick, 2009
• Mach’s mit von Madeleine Bernstorff im Katalogheft zum Filmprogramm im Kunstraum Lakeside/Klagenfurt 05/2009
Heimatkunde (zum Film ALS LANDWIRT) von Michael Girke in „shomingeki“ Nr. 20/2008,
Die gezeichnete Welt von Heinz Emigholz, Programmheft-Text 10/2007
• Um Cinema Alemão von Olaf Möller/Cristina Nord, Indie Lisboa-Katalog 2007
• Notizen zu den Filmen: EIN FILM ÜBER DEN ARBEITER, SCHULDNERBERICHTE, MALEREI HEUTE im Katalogbuch „Kritische Gesellschaften“, Hg: Angelika Stepken/Badischer Kunstverein 2006
Pause publicitaire: prendre le temps de peindre l’air du temps von Pierre-Emmanuel Finzi in „La Gazette de Berlin“, Nr. 13/2006
Werkschau Stefan Hayn von Stefanie Schulte Strathaus im Programmblatt des Arsenal 12/2006
Die Klarheit der Geste von Dietmar Kammerer in „taz“ 24.11.2006
Medialität und Momentform (zur Komposition für den Film MALEREI HEUTE) von Klaus Barm in „Tonkunst“, Hg: Bartel/Kock, Vistas Berlin 2006; gekürzte Fassung
Eine gesamte Bewegung die Frauen mittendrin, in „scheinschlag“ 5/2006
Why Jack Smith? von Madeleine Bernstorff im Katalogbuch „MASKHARAT“ zur Ausstellung im Künstlerhaus Stuttgart 2006
• Märzschnee (zu: DAS HEIßE EISEN) von Julia Bantzer in „shomingeki“ Nr. 17/2006
• Film des Monats: MALEREI HEUTE von Michael Girke in konkret 12/2006
À propos de MALEREI HEUTE – entretien avec Stefan Hayn et Anja-Christin Remmert von Cyril Neyrat, FID Marseille Journal 07/07/2006
• Nacht/Innen – Minute 40 des Films „The Night of the Hunter“, im Buch „Minutentexte“, Hg. Baute/Pantenburg, Brinkmann+Bosse Berlin 2006
Das Bild der Arbeit von Klaus Barm im Buch „Klassen und Kämpfe“, Hg: jour fixe initiative Berlin, unrast 2006
Meine Hände werden rauer von Bert Rebhandl in „Der Standard“, 19.10.05
• Malerei heute von Johannes Beringer in „shomingeki“ Nr.16/2005, engl. im Katalog des SHADOW FESTIVALS AMSTERDAM und der VIENNALE 05 (in Auszügen)
• Was der Mond braucht von Julia Bantzer in „shomingeki“ Nr.16/2005
Die Fähigkeit zur Entmenschlichung ist nichts Unmenschliches, in „scheinschlag“ 5/2005
• Nochmal ganz von vorn – Zwei Programme für Oberhausen, kommentierte Filmografie im Katalog anlässlich der Retrospektive 2005
• Film muss nähen – Über Geschlecht, Sexualität und Ökonomie in den Filmen von Stefan Hayn von Manfred Hermes, im Katalog der 51. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen
51. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen von Barbara Wurm, in „springerin“ 2/05
• Das Traurige künstlich machen von Manfred Hermes in „taz“ 03.06.03
Jeder Künstler ist ein Mensch – Zur Musealisierung von Martin Kippenbergers Werk, in „scheinschlag“ 3/03
• Filme von Peter Nestler Programmhefttext zur Retrospektive im Filmkunsthaus Babylon, 05/2003
• FilmClub (SCHULDNERBERICHTE) Arsenal-Programmhefttext von Birgit Kohler und Radio Eins Interview von Knut Elstermann, April 2003
Von Neuem Euch erglänzt in „Jungle World“ 8.1.2003 (redaktionell bearbeitet)
• Dreizehn Gründe… in „scheinschlag“ 01/2003
• Film und Malerei im Buch „Kunstwerk und Kritik“, Hg: jour fixe initiative Berlin, unrast 2002
Was Dokumentarfilm heute auch sein kann „Die neue Staffel 2002“
Filmsamstag (zu: EIN FILM ÜBER DEN ARBEITER) von Rüdiger Tomczak, April 2002
• Straub-Huillet/Cézanne Vortragsabdruck in „shomingeki“ Nr. 10/2001
• Implosionen des Sinns von Cornelia Klauss im Programmheft des Filmkunsthauses Babylon, 10/1999
• Zu meinen Filmen kommentierte Filmografie zur Retrospektive im Filmkunsthaus Babylon, „shomingeki“ Nr. 7/1999
Wiederaneignung des öffentlichen Raums von Florian Neuner in „scheinschlag“ 09/1999
• Wie macht man Filme… Interview von Florian Neuner in „scheinschlag“ 04/1999
• EIN FILM ÜBER DEN ARBEITER (Filmtext) in „shomingeki“ Nr. 4/1997
Interview mit Peter Nestler in „shomingeki“ Nr. 4/1997
• WHAT TO PUT ON TOP OF JACK SMITH’S MEMORIAL CHRISTMAS TREE? – Anmerkungen zur Kategorie ‚Schwulenfilm‘ Vortrag abgedruckt in „Rundbrief Film“, 08/09/1995
• Homoscope – so different, so appealing! (zum Film FONTVELLA’S BOX) von Matthias Müller, Paris/Toronto, 1993/94
• Vorschlag: Kurzfilme von Stefan Hayn von Harald Fricke in „taz“ 25.06.1993
first 10 min of MALEREI HEUTE/PAINTING NOW