Dr. Johann Honnens

Promotionsprojekt

Das konjunktive Wissen in der Arabesk-Rezeption deutsch-türkischer Jugendlicher


Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit dem konjunktiven Wissen in der arabesk-Rezeption von Jugendlichen in Deutschland und verfolgt dabei einen qualitativen For-schungsansatz. Dabei wird in Anknüpfung an Pierre Bourdieus Habituskonzept und die Jugendkulturforschung davon ausgegangen, dass Musikpräferenzen in der Adoleszenz unter anderem die wesentliche Funktion haben, Identität und soziale Distinktion zu markieren. 
Arabesk wird unter deutsch-türkischen Jugendlichen in Berlin relativ breit rezipiert und bezeichnet eine Popularmusikästhetik, die innerhalb der Türkei im Zuge der Binnenmigrationswellen der 60er Jahre von den Ostprovinzen in die westlichen Städte populär wurde. Arabesk steht für einen Kern an stilistischen und ästhetischen Konventionen, zum Beispiel für resignative und fatalistische Textinhalte, einen melismatischen Gesangsstil, synthetische Streicherchöre und für eine freie Synthese von Volksmusik-, Kunstmusik-, europäischen sowie arabischen Popularmusikelementen. Für die einen eine Anti-Kultur und das Zeichen einer islamischen Gegenreaktion für die anderen der Ausdruck einer sozialen Marginalisierung der Peripherie, einer falschen Anwendung demokratischer Reformen und einer Verdrängung des osmanischern Erbes, symbolisiert die arabesk-Debatte einen zentralen gesellschaftspolitischen Identitätsdiskurs der Türkei.

Mit dieser Arbeit soll nun gefragt werden, welche konjunktiven Erfahrungen und kollektiven Sinnmuster Jugendliche im deutschen Migrationskontext teilen, wenn sie arabesk präferieren. Dabei wird methodologisch an die Grounded Theory nach Anselm Strauss und an den kon-junktiven Wissensbegriff, die dokumentarische Methode und das Gruppendiskussionverfah-ren nach Ralf Bohnsack angeknüpft. Das Ziel der qualitativen Analyse im Dissertationsprojekt ist, Hypothesen für eine migrationsspezifische Musikpädagogik zu entwickeln. Dabei geht es um die Beantwortung eines zentralen migrationspädagogischen Paradoxes: Wie minimiert man gleichzeitig zum einen die Ausschließung von „Migrationsanderen“ (Paul Mecheril) und zum anderen ihre Herstellung?

Die Dissertationssschrift hat am 11.05.2019 den Sigrid-Abel-Struth-Preis der Wissenschaftlichen Sozietät Musikpädagogik erhalten.

Vita

Johann Honnens studierte Musik und ev. Theologie auf gymnasiales Lehramt an der Universität der Künste Berlin und an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach seinem Examensabschluss 2010 als freischaffender Chorleiter und Klavierlehrer tätig, Auslandsaufenthalte in Istanbul und Ausbildung in den Musikinstrumenten Saz und Ney, in türkischer Musiktheorie sowie türkischer Sprache.

Publikationen

 

Sozioästhetische Anerkennung. Eine qualitativ-empirische Untersuchung der arabesk-Rezeption von Jugendlichen als Basis für die Entwicklung einer situativen Perspektive auf Musikunterricht, Münster 2017.

„Ethnizität im Musikunterricht? Ein Beitrag zur Diskussion innerhalb der Interkulturellen Musikpädagogik ausgehend vom konjunktiven Wissen in migrationsspezifischen Musikinteressen von Jugendlichen“, in: wissenderkuenste.de, Onlinepublikation des Graduiertenkollegs „Das Wissen der Künste“, Nr. 1 „Wissensformationen und -praktiken“, Oktober 2013, URL: http://wissenderkuenste.de/#/text/ethnizitaet-im-musikunterricht/.