Dr. Ralf Liptau

Promotionsprojekt

Architekturen bilden. Das Modell in Entwurfsprozessen der Nachkriegsmoderne

Das Architekturmodell gehört zwei zeitlich wie räumlich divergenten Wirklichkeiten an: Zum Einen ist es reales Objekt in der unmittelbaren Gegenwart seines Betrachters, zum Anderen liegt seine spezifische Aufgabegerade darin, über jene Gegenwart hinaus in eine häufig noch ungebaute Zukunft zu verweisen. In eben diesem Changieren zwischen Fremdbezug und Eigenwert liegen die besonderen Erwartungen begründet, die traditionell an das architektonische Modell sowohl im Entwurfs- als auch im Präsentationszusammenhang gerichtet werden.


Das Dissertationsvorhaben unter dem Titel „Entwürfe bilden“ geht der Rolle des dreidimensionalen Modells in der Architektur der Nachkriegsmoderne nach und soll sie in den Kontext anderer Visualisierungsstrategien – etwa der zweidimensionalen Planzeichnung – setzen. Dabei wird davon ausgegangen, dass speziell dem (nachkriegs-) modernen Bauen im 20. Jahrhundert eine besondere „Modellaffinität“ eigen ist. Gemeint ist damit, dass die kubischen beziehungsweise dreidimensional-skulpturalen Bauten dieser Zeit in besonderem Maße aus dem Modell heraus entwickelt worden sind und man dies der ausgeführten Architektur auch ansieht. Die Komplexität und schiere Größe der damaligen Bauten bis hin zur Entwicklung gänzlich neuer Stadträume scheint die Arbeit mit dem Modell speziell in diesem Zeitabschnitt zusätzlich begünstigt zu haben. Dem Modell wäre demnach sowohl in der Phase der Entwurfsfindung als auch bei der Präsentation der entwickelten Architekturkonzepte eine Schlüsselrolle zugekommen.
Zeitlich lässt sich der Untersuchungszeitraum abgrenzen von der auf zweidimensionale Planzeichnungen fixierten und an historischen Vorbildern orientierte Entwurfspraxis etwa des späten 19. Jahrhunderts und dem zeitgenössischen Entwerfen, das etwa seit Ende der 1970er-Jahre zunehmend durch digitale Entwurfswerkzeuge beeinflusst wird.
Im Zuge der Arbeit sollen die Spezifika des architektonischen Entwerfens am und mit dem Modell einerseits auf der Ebene der Architektenausbildung nachgezeichnet werden. Andererseits soll auch die konkrete Praxis der Entwurfsfindung anhand beispielhaft ausgewählter Architekten rekonstruiert werden. Einen zweiten Schwerpunkt bildet schließlich die Frage nach dem speziellen Visualisierungspotential der Modelle gegenüber Dritten im Präsentationszusammenhang sowie ihrer auch medialen Verbreitung.

Vita

Ralf Liptau hat von 2006 bis 2014 an der Freien Universität Berlin Kunstgeschichte im Bachelor und Master studiert. 2009/10 Studium an der Université Sorbonne IV in Paris, zeitgleich Hospitanz am dortigen Deutschen Forum für Kunstgeschichte. 2012 bis 2014 studentische Hilfskraft in der Kolleg-Forschergruppe BildEvidenz an der FU Berlin.

Publikationen

„Häuser im Herbarium. Medien der Architekturvermittlung am Beispiel der internationalen Bauausstellung 1957“, in: wissenderkuenste.de, Onlinepublikation des Graduiertenkollegs „Das Wissen der Künste“, Nr. 3 „Entwurf/Modell“, November 2014, URL: http://wissenderkuenste.de/#/text/haeuser-im-herbarium-medien-der-architekturvermittlung-am-beispiel-der-internationalen-bauausstellung-1957/.

„Übersetzungen in die Architektur. Seifenhautmodelle von Frei Otto“, in: Hillnhütter, Sara (Hg.): Planbilder. Medien der Architekturgestaltung, Berlin: De Gruyter, 2015 (=Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Bd. 11), S. 24–32.

„Film in der Architektur – Der Kinosaal und seine Rolle im Film“ (zusammen mit Moritz Schumm), in: Haitzinger, Nicole / Kollinger, Franziska (Hg.): Überschreitungen. Beiträge zur Theoretisierung von Inszenierungs- und Aufführungspraxis, München: epodium Verlag, 2015 (=off epodium #5), S. 59–67.

"Architekturen bilden - Das Modell in Entwurfsprozessen der Nachkriegsmoderne", Bielefeld: transcript, 2019.