Lena Trüper

Promotionsprojekt

Naturmetaphern der Kybernetik - 

Visuelle Ausdrucksformen von Technoökologien in Moderne und Gegenwart

(Arbeitstitel)

In meinem Dissertationsvorhaben diskutiere ich künstlerische Praktiken zwischen 1960 und 1970, in denen Künstler_innen visuelle Naturmetaphern wie Wolken, Erd- oder Wasseroberflächen generierten, um adaptive Kunstsysteme zu beschreiben, in welche die Betrachter_innen eingebunden sind. Ich untersuche, inwiefern solche visuellen Naturmetaphern den ideologischen Hintergrund libertärer Bewegungen in Kunst und Politik bildeten, die die Welt als ideales, homöostatisches Ökosystem imaginierten, während starke soziale und politische Ungleichheiten ausgeklammert wurden. Dafür vergleiche ich die Rolle visueller Naturmetaphern in künstlerischen Projekten des argentinischen „Centro de Arte y Comunicación“ (Zentrum für Kunst und Kommunikation, CAYC) mit Arbeiten der westlichen Art&Technology-Bewegungen, wie dem US-amerikanischen Künstler_innenkollektiv „Experiments in Art and Technology“ (E.A.T.) oder der deutschen „Fernsehgalerie“ von Gerry Schum. Die Untersuchung legt nahe, dass sich zeitgleich etablierende künstlerische Bewegungen, wie die „Prozesskunst“, die „Land Art“ und die „Konzeptkunst“ ebenfalls als visuelle Ausdrucksformen von Technoökologien verstehen lassen. 

Indem das Projekt die visuellen Kulturen dieser künstlerischen Bewegungen mit den wissenschaftlichen und sozialen Diskursen der Zeit kontextualisiert, beleuchtet es den ideologischen Hintergrund von Naturmetaphern der Kybernetik, die sich in idealistischen Visionen einer globalisierten Welt und den „kreativen Wolken“ der gegenwärtigen Digitalkultur erhalten haben. Zugleich hinterfragt es diese visuelle Kultur einer „natürlichen“ und hegemonialen Globalisierung anhand von Beispielen des CAYC kritisch. Inwiefern trugen beispielsweise Naturmetaphern in Luis Fernando Benedits künstlichen Ökosystemen für Kakerlaken, Schnecken und Menschen, die während der argentinischen Militärdiktatur entstanden, oder Victor Grippos Skulpturen aus verkabelten Kartoffeln dazu bei, dass diese Arbeiten im Rahmen der libertären, westlichen Diskurse zu Informationstechnologie, Kybernetik und Ökologie promotet werden konnten, während andere Arbeiten unbeachtet blieben?

Vita

Lena Trüper studierte von 2011-2017 Kunstgeschichte, Geschichte und Kunst, Medien und kulturelle Bildung auf Magister an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihr Studium schloss sie mit der Arbeit „Im Aquarium der Kybernetik“ zu Naturmetaphern in der Medienkunst der 1990er Jahre ab. Durch ihre Ausbildung zur Chemielaborantin in der Großindustrie vor ihrem Studium entwickelte sie ihr Interesse für automatisierte Systeme und interdisziplinäres Forschen. Im WS 2019 absolvierte sie einen Lehrauftrag am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt und arbeitete seit 2017 u.a. für das Städel Museum Frankfurt, die Kunsthalle Darmstadt sowie freischaffend für das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, die Goldkammer und das DZ Bank Art Foyer in Frankfurt. 

Publikationen

„Visual Natural Metaphors of Cybernetics in Arts and Popular Culture.“ in: Genealogy of Popular Science, From Ancient Ecphrasis to Virtual Reality, hg. von J.M. Morcillo/C.Y. Robertson von Trotha, Bielefeld: transcript, 2020, S. 419-436. (erscheint Mai 2020)

„Keine*r weiß, was Kybernetik ist! Über Kommunikation und Kontrolle in der Kunst nach 1945.“, in: Der Montierte Mensch, 8. November 2019 – 15. März 2020, Museum Folkwang Essen, Berlin: Kerber, 2019, S. 319-336.

„Macht's gut, und danke für den Fisch! Meerestiere als Metaphern der Virtualität. Ein historischer Einblick in das visuelle Erbe der Kybernetik.“ in: Dokumentation des 31. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums Nr. 4, 2019, S. 231-249.

„Von Menschenbildern und Textmaschinen. Was Cyborgs im Film über den Wandel medialer Kommunikation erzählen.“ in:Visual Narratives - Cultural Identities, hg. von J. Bracker, Visual Past Nr. 3.1, 2016, S. 469-508.

„Das Bild als Datensatz. Ein Kommentar zu neuen Methoden der quantitativen Bildanalyse.“ In: Reproduktion und Methode. Eine Medienarchäologie der Abbildung in der Kunstgeschichte, Blog Studiumdigitale, Goethe University Frankfurt, 2015.

„Die Kunstgeschichte – ein Grabungsfeld für die Medienarchäologie?.“ In: Reproduktion und Methode.Eine Medienarchäologie der Abbildung in der Kunstgeschichte, Blog Studiumdigitale, Goethe University Frankfurt, 2015.