Dr. Michaela Wünsch

Forschungsprojekt

Entropie: Zur Übertragbarkeit eines wissenschaftlichen Modells.

Entropie ist einer der am meisten außerhalb der Physik benutzten physikalischen Begriffe und wird derzeit vor allem in der Kunst und kunsttheoretischen Diskursen wiederbelebt und scheint zu neuem Ruhm in der aktuellen Rezeption der Naturwissenschaften in den Künsten und Geisteswissenschaften zu gelangen. Dieser Trend fordert geradezu eine wissenshistorische Analyse heraus, da die sehr verschiedenen Verwendungen dieses wissenschaftlichen Modells Aufschlüsse über transdisziplinäre Übersetzungsprozesse wissenschaftlicher Diskurse, medientechnologischer Bedingungen und gesellschaftspolitischer Entwicklungen versprechen.

Im Zuge des geplanten Forschungsprojekts sollen drei historische Zeiträume untersucht werden: die Rezeption und Übersetzung des thermodynamischen Konzepts der Entropie bei Sigmund Freud um 1920, die Übernahme der Entropie in die Informationstheorie und Kybernetik und ihre Verwendung in der Psychoanalyse Jacques Lacans in den 1950er Jahren und die Rezeption der Entropie in den 1970er Jahre in der Kunst und Kunsttheorie. In letztgenannten theoretischen wie künstlerischen Arbeiten gehen thermodynamische und informationstheoretische Verwendungsweisen, wie auch psychoanalytische Annahmen zur Entropie ein und werden partiell bereits reflektiert.

Die Entropie soll als wissenschaftliches Modell definiert werden, das in den verschiedenen Disziplinen für jeweils andere Anwendungsfelder steht. Auch finden gesellschaftspolitische Tendenzen Eingang in die Verwendungsweisen der Entropie, die entweder die Irreversibilität der Zeit oder Wahrscheinlichkeit und Kontingenz, Apokalypse, Wärmetod, Chaos oder im Gegenteil Tendenz zu Ordnung in den Vordergrund rücken. Neben der Textanalyse soll die Rezeption der Entropie daher in wissenstheoretischen Kontexten eingebettet werden. Wissenstheoretisch und komparatistisch steht die Frage nach der Übertragbarkeit wissenschaftlicher Modelle selbst im Vordergrund.

Vita

Michaela Wünsch studierte Kulturwissenschaft und Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie 2008 mit einer Arbeit zum Serienkiller als Medium des Unbewussten weißer Männlichkeit promovierte. Seitdem war sie als Postdoktorandin am Institute for Cultural Inquiry Berlin und an der Jan-van-Eyck-Academie tätig und Gastprofessorin für Ästhetik und Philosophie der Medien an der Universität Wien. 2012-2015 war sie Marie-Curie Fellow an der University of California Los Angeles und der Universität Potsdam mit einem Projekt zur Wiederholung in Psychoanalyse und Fernsehen. Sie ist Vorsitzende der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin und Teil des Verlags- und Buchladenkollektiv b_books.

Kontakt

michaela.wuensch@univie.ac.at

Publikationen

Bücher:

Angst. Lektüren zu Lacans Seminar X. (Hg.) Wien/Berlin: Turia + Kant 2012.

Im inneren Außen. Der Serienkiller als Medium des Unbewussten. Berlin: Kadmos 2010.

Techniken der Übereinkunft. Zur Medialität des Politischen. Hg. mit H. Blumentrath, K. Rothe, S. Werkmeister, B. Wurm. Berlin: Kadmos 2009.

FeMale HipHop. Realness, Roots und Rap Models. Hg. mit Anjela Schischmanjan. Stuttgart: Ventil 2007.

Outside. Ein Reader zur Politik queerer Räume. Hg. mit Matthias Haase and Marc Siegel. Berlin: b_books, 2005.

 

Aufsätze:

 “Serialität und Intertextualität”, in Handbuch Filmtheorie, hg. v. Bernhard Gross/ Thomas Morsch, Springer 2016.

 “Techne, Mechane und Poeisis des Fernsehens”, in Jahrbuch für Medienphilosophie, Band 2, Heft 1 (Feb. 2016), 183-206.

 “Jenseits des Todes. Zur Ästhetik der Wiederholung im Fernsehen, in Waking Life. Kino zwischen Technik und Leben, hg. v. Lisa Akervall, Adina Lauenburger, Sulgie Lie, Christian Tedjasukmana, Berlin: b_books 2016, 331-350.

 “Warum Stereotypen witzig sind. Der einzige Zug in der Komödie [On Stereotypes as Single Traits in Comedy]”, in RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse, #83, 2016, 20-35.

 “Comedy, Repetition and Racial Stereotypes in Television”, in CINERGIE. Il Cinema e le altri Arti. 9, 2016, http://www.cinergie.it/?p=6101.

 “Das Rektum als Grab. Zur kryptischen Pornografie Jean Genets”, in Azimuth. III (2015), 6, 29-43.

 "Trauma, Guilt, and Ethics in BeTipul and In Treatment. The Universalist Approach and (Jewish) Particularism of Psychoanalysis", in Journal for Jewish Film and New Media, Fall 2015, Vol. 3.2, 119-141.

 "Serialität aus medienphilosophischer Perspektive", in Genre und Serie, hg. v. Thomas Morsch, München: Fink-Verlag 2015, 173-192.

 „Trauma and Temporality in Hatufim and Homeland“, in intervalla, Volume 2, 2014/15.

 Der Serienmörder, [The Serial Killer], In Figuren der Gewalt [Figures of Violence] Edited by Lars Friedrich, Karin Harrasser, Daniel Tyradellis, Joseph Vogl, Berlin/Zürich: Diaphanes 2014, 137-143.

 "The Invisible Man. Serienkiller im Horrorfilm: Weiße Männer hinter weißen Masken, In Anschläge. Das feministische Magazin. Dezember 2013/Januar 2014, 25-28.

 "Serialität als Intermedialität", in Heterotopien. Perspektiven der Intermedialen Ästhetik, hg.v. Elia-Borer, Schellow, Schimmel, Wodianka, Bielefeld: transcript 2013, 435-455.

 “Heisenberg’s Cash Flow. Zur Anschaulichkeit, Bildlichkeit und Zählbarkeit von Geld in Breaking Bad”, in Rheinsprung. Zeitschrift für Bildkritik , 05/2013, 37-49.

 “Family Values”, in Pop. Kultur und Kritik [Journal for Pop Culture and Critique], 2/2013, 27-31.

 „Der Lebensatem ist ihre Quelle“, in Jahrbuch Elfriede Jelinek Studien2013, Wien: Präsens-Verlag 2013, 218-229.

 “Folter und die Temporalität des Traumas im Fernsehen”, in Folterbilder und -narrationen: Verhältnisse zwischen Fiktion und Wirklichkeit, hg.v. Julia Bee, Reinhold Görling, Johannes Kruse, Elke Mühlleitner, V&R Unipress 2013, 173-187.

 “Die Stimme als Objekt des Unheimlichen, der Angst und der Furcht”, in Y – Revue für Psychonalyse, 2/2012, 120-136.

 “Images of Anxiety”, in The International Journal of the Image, Volume 1, 2011, 3-11. (peer reviewed)

 “Schluss mit dem Kino! Psychoanalyse in Theater, Film und Fernsehen”, In Felix Guattari. Die Couch des Armen. Texte zum Kino, hg.v. Helmut Draxler, Susanne Leeb, Nicolas Siepen, Aljoscha Weskott, 108-120. Berlin: b_books 2011.

 “Mediale Techniken des Unheimlichen und der Angst” in Phantasmata. Hg. v. Martin Doll und Rupert Gaderer, 95-111. Berlin/Wien: Turia + Kant 2011. [English version published in: image & narrative, Vol. 13, No. 1 (2012), (http://www.imageandnarrative.be/index.php/imagenarrative/issue/view/18) (peer reviewed)]

 “Lizenz zum Lieben. Zum Melodramatischen im Action-Kino” In Frauen & Film 66 (2011), 96-105.

 “Serialität und Wiederholung in audiovisuellen Medien.” In Kunst der Serie, hg..v. Christine Blättler, 193-205. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2010.

 

Rezensionen:

 "Zu einem Versuch das Ausgehen in Los Angeles zu etablieren. Drei Ausstellungen bei Freedman Fitzpatrick", in Texte zur Kunst, 93 (2014): 222-224.

„Monster. Zu Körperlichkeit und Medialität im modernen Horrorfilm“ v. Arno Meteling, in HSoZuKult. Humanities. Sozial- und Kulturgeschichte. (04/2007) hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/type=rezbuecher&id=8705.

„Normal Love“. Kunsthaus Bethanien, Berlin, in Texte zur Kunst, 65 (2007): 186-187.

„Geschichten von der Liebe“. Julia Kristeva, in Texte zur Kunst, 52 (2003): 149-153.

 

Übersetzungen:

Laurence A. Rickels, „Einleitung“, „Deutschland. Ein Science-Fiction“, in: Carolin Meister, Laurence A. Rickels, Ghostarbeiter. Über technische und okkulte Medien, Berlin: Kadmos 2014, 9-21; 149-171.

 Laurence A. Rickels, Die Unterwelt der Psychoanalyse, Wien: Passagen 2014, 117-140.

 Marc Siegel “Bruce LaBruce. Pornograf wider Willen [Bruce LaBruce. A Reluctant Pornographer]” In Montage AV 18/2/2009, 99-119. 

Laurence A. Rickels: Ulrike Ottinger. Eine Autobiografie des Kinos. Berlin: b_books 2007.