Hana Gründler

Promotionsprojekt

Der Künstler/Philosoph. Zum Verhältnis von Kunst, Philosophie und (visueller) Erkenntnis in der Vormoderne und Moderne

Im Zentrum dieser Arbeit stehen das komplexe Verhältnis von Kunst und Philosophie, die Bestimmung dessen, was (visuelle) Erkenntnis sein soll, und die Frage nach den bildimmanenten Strategien der Wissensvermittlung. Durch die Analyse von kunsttheoretischen und philosophischen Schriften sowie konkreten Kunstwerken gilt es aufzuzeigen, dass die exemplarisch ausgewählten "philosophischen Künstler" beziehungsweise "künstlerischen Philosophen", die sich ansonsten so unterschiedlicher Ausdrucksmedien wie der Zeichnung, der Malerei oder der Sprache bedienen, das wechselseitige Verhältnis von schöpferischem Akt, intellektueller Tätigkeit und dadurch erlangtem und vermitteltem Wissen betonen und für eine Form der Erkenntnis werben, in der die kreative und poietische Dimension des menschlichen Weltbezugs akzentuiert wird.

In diesem Zusammenhang wird für eine Öffnung des gängigen Erkenntnisbegriffs plädiert und neben propositionalen auch nicht-propositionalen Formen der Erkenntnis epistemischer Gehalt zugeschrieben. Ausgehend von einer Untersuchung nichtsprachlicher Medien, wie der bildenden Kunst, die spezifische Formen des Verstehens mit sich bringen, gilt es zudem, die Idee, der Geist sei nur ein Netz propositionaler Einstellungen, kritisch zu hinterfragen.

Betrachtet man das Problem der Rationalität und des Geistes aus historischer Perspektive, wird ersichtlich, dass die Vorstellung, der Rationalität würden Momente der Produktivität und Kreativität innewohnen, die nicht nur vom Verfügen über Sprache abhängen, bereits in der Frühen Neuzeit zu finden ist. Bei Philosophen wie Cusanus (1401-1464), Ficino (1433-1499) oder Bruno (1548-1600) werden Denken und Malen bewusst in Beziehung gesetzt und die Metapher der 'pictura' benutzt, um auf die produktive, ja gar kreative Apperzeption und Verarbeitung der Welt einzugehen. Bezeichnenderweise schätzen auch die "philosophischen Künstler" den Geist selbst als etwas Kreatives ein und verstehen die Kunst als geistigen Prozess. In der Kunsttheorie des 16. und 17. Jahrhunderts wird die Bedeutung der Kunst als intellektueller Tätigkeit ebenfalls hervorgehoben. Leonardo da Vinci (1452-1519) und Diego Velázquez (1599-1660) sind paradigmatische Beispiele für diese Künstler/Philosophen, die das Verhältnis von Geist und Kreativität sowie die epistemische Dimension der Kunst in ihrem Werk thematisierten.

Anhand von Leonardos anatomischen Zeichnungen wird untersucht, wie der Künstler Wissen akquirierte, generierte, legitimierte und vermittelte. Zudem wird herauskristallisiert, inwiefern die losen Blätter und Notizbücher als experimentelle und polyperspektivische Wissensräume zu interpretieren sind, in denen Wissen nicht als etwas statisch-geschlossenes, sondern vielmehr als im Entwurf verstanden wird. Relevant ist hierbei die Prozesshaftigkeit in der Aneignung und Generierung von Wissen, was auf das Engste mit Leonardos aktiver und dynamischer Auffassung des Sehens und des Zeichnens sowie der daraus resultierenden Nichtabschliessbarkeit des kreativen Prozesses zusammenhängt. Die Zeichnung ist in diesem Sinn nicht einfach nur abbildend, sondern sinngenerierend. Das aktive Sehen und Verstehen wird auch von Velázquez problematisiert. Das Gemälde 'Las Meninas' scheint der "Ort" zu sein, an dem Wissen und Denken des Künstlers besonders sichtbar werden, da Velázquez hier im Medium der Malerei Überlegungen zu Fragen der Wahrnehmung und der (bildlichen) Repräsentation konkretisiert. Die Beziehung der beiden im Bild thematisierten Repräsentationsmedien - Spiegel und Leinwand -, die Frage nach der Funktion der Malerei - Imitation bzw. produktive Interpretation - sowie das innerbildliche Spiel mit verschiedenen Wahrnehmungs- und damit zusammenhängend Erkenntnismodi liegen im Fokus der Untersuchung zu Velázquez.

Vita

1997-99 Studium der Geisteswissenschaften an der Università Statale degli Studi, Mailand, mit Schwerpunkt Philosophie. 1999- 2006 Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Seit Nov. 2002 Mitarbeiterin des von der DFG und der Gerda Henkel-Stiftung finanzierten Vasari-Projekts. Unter anderem Bearbeitung der Vite von Raffael, Baccio Bandinelli, Bronzino und Palma il Vecchio. Dez.2003 Auszeichnung des DAAD und der Johann Wolfgang Goethe-Universität für hervorragende Studienleistungen ausländischer Studierender. Apr. 2004 Publikation von Giorgio Vasaris Leben des Raffael im Verlag Klaus Wagenbach, Berlin. Jan. 2006 Magistra Artium im Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Der Titel der Magisterarbeit lautete: "Das Denken ist ganz mit dem Zeichnen von Bildern zu vergleichen." Zur Bedeutung des visuellen und bildnerischen Vokabulars in Ludwig Wittgensteins Spätphilosophie (erscheint im April 2007, Trafoverlag, Berlin). Seit März 2006 Promotion im Fach Kunstgeschichte bei Prof. Dr. Alessandro Nova. Das Thema der Promotion lautet: Der Künstler/Philosoph. Zum Verhältnis von Kunst, Philosophie und (visueller) Erkenntnis in der Vormoderne und Moderne.

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