PD Dr. Sabine Huschka

Forschungsprojekt

CHOREOGRAPHIERTE KÖRPER IM THEATRON. Auftritte und Theoria ästhetischen Wissens(Stand: 12.2014)

Meine derzeitigen Studien gehen theater-, tanz- und kulturtheoretischen Fragestellungen zu den ästhetischen Funktionen und Optionen choreographierter Körper nach. Methodologisch am Begriff des choreographierten Körpers entfaltet, werden Prozesse der Ästhetisierung und Medialisierung körperlicher Bewegungsvorgänge im theatralen Schauraum untersucht und ihre angewandten wie empfohlenen Wissenspraktiken analysiert. [www.tanz-wissen.de]

Choreografierte Körper tanzen. Doch auf den Bühnen des 18. Jahrhunderts beginnen sie als Teil einer bürgerlichen Gesellschafts- und Kulturbildung vornehmlich zu agieren. In den Schauräumen der Theater der Aufklärung gestalten ihre Tanzschritte nunmehr handlungsorientierte Bewegungsfigurationen. Radikaler noch als im Schauspiel des 18. Jahrhunderts vollzieht der Bühnentanz damit einen paradigmatische Darstellungswandel, der ein modernes Verständnis von Choreographie und Künstlertum ankündigt. Das ballet en action kennzeichnet eine notwendig intensivierte Auseinandersetzung mit den theatralen Dispositiven der Täuschung (Illusionierung) und des dramatischen Spiels. Ballettmeister und Compositeure ringen um bewegungsästhetische Rafinessen und kompositorische Tricks, die bewegt-bewegende Figurationen seelischer Regungen körperlich und szenisch in Erscheinung bringen sollen. Ihre ästhetischen Anstrengungen verfallen geradezu einem Taumel der Sichtbarmachung eines Unsichtbaren. Als doppelter Schauplatz sollen tanzende Körper – sichtbar und empfindbar – einen bewegenden Handlungsraum ausstellen, der illusionär eine reale Empfindungskraft bis in das Herz der Zuschauer zu spielen vermag.
In Reflexion auf diesen theatralen Wandel des Bühnentanzes falten die Studien einen analytischen Blick auf das komplexe praktische und theoretische Wissen auf, Körper in Bewegung und in Szene zu setzen. So wirft das anhebende Darstellungs- und Wirkungsmodell einer im Tanz sich ausspielenden Empfindungskraft Fragen an die angewandten körpertechnischen und choreographischen Verfahren und Theorien auf: Wie initiieren, entwerfen, ordnen, dramatisieren und zeigen Tänzer und Choreografen Empfindungsgeschehnisse? Was hat man sich unter ‚beseelten‘ Bewegungen und ihrer philosophisch ästhetischen Figur der Empfindung eigentlich vorzustellen? Und wie finden sie im Verbund von Körper und Raum, Zeit und Blick zu einer affizierten wie affizierenden Gestaltkraft? Mit diesen Fragen an die Akte eines praktizierten und konzipierten Darstellungs- und Körperwissens untersuchen die Studien die bewegungsphilosophischen und theatralen Bedingungen und Optionen des ballet en action, um deren ästhetisches Terrain in seinen politischen Funktionen kenntlich zu machen.

Vita

Sabine Huschka ist Privatdozentin der Theater- und Tanzwissenschaft am Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig. Dort habilitierte sie 2011 zu Wissenskultur Tanz: Der choreografierte Körper im Theater. Ihre Lehr- und Forschungstätigkeiten fokussieren theoretisch-praktische Fragen der Vermittlung ästhetischen Wissens, denen sie z.Zt. am Graduiertenkolleg „Das Wissen der Künste“ der Universität der Künste Berlin als Gastwissenschaftlerin nachgeht. Zuletzt an der Universität der Künste Berlin als Gastprofessorin für Theorie und Geschichte des Theaters tätig, hatte sie verschiedene Vertretungs- und Gastprofessuren für Theater- und Tanzwissenschaft inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf den Gebieten einer historiographischen und aisthesiologischen Theater- und Tanzwissenschaft sowie auf Untersuchungen zu Choreographie als szenische Darstellungskunst und Analysen zum Bereich des Körper- und Bewegungswissens.

Aktuelle projektbezogene Veröffentlichungen

Tanz/Wissen. Choreographierte Körper im theatron. Auftritte und Theoria ästhetischen Wissens. München : epodium Verlag 2015 (in Vorbereitung)

(Hg.): Wissenskultur Tanz. Historische und zeitgenössische Vermittlungsakte zwischen Praktiken und Diskursen, Bielefeld: transcript 2009.

„Zur Disposition eines verschwiegenen Wissens im Tanz oder: Die Kunst der Beziehungsstiftung“, in: wissenderkuenste.de

#3. Redaktion: Tiago da Costa e Silva, Ralf Liptau, Nina Wiedemeyer, Open access-Publikation (2014): wissenderkuenste.de #/keyword/koerper/



„Bewegung“, in: Anja Kraus, Jürgen Budde, Maud Hietzge, Christoph Wulf: „Schweigendes“ Wissen in Lernen und Erziehung, Bildung und Sozialisation, Weinheim: Beltz-Uventa 2015 (in Vorbereitung)

„Die Architektonik der Bewegung. Ästhetiken der Ausrichtung und Überschreitung von Körper / Räumen. Eine tanzhistorische Skizze“, In: Susanne Hauser, Julia Weber (Hg.): Windows on Architecture. Erkundungen in transdisziplinärer Perspektive, Bielefeld: transcript 2015 [im Druck – 20 Seiten]

„Wissenspraktiken im europäischen Bühnentanz. Ein historischer Blick auf ihre intermedialen Dispositionen“, in: Katharina Keim / Michael Gissenwehrer (Hg): Materialitäten des Kultur- und Wissenstransfers in prä- und transnationalen Kontexten, Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang (= Reihe Kulturwissenschaft(en) als interdisziplinäres Projekt Bd. 7) 2015 [im Druck – 15 Seiten]

"Digitale Tanzarchive? Zur Präsentation choreografischer Praxis in medialen Forschungsprojekten und Rechercheplattformen“, in: Patrick Primavesi , Janine Schulze (Hg.): Archive Practice. [Reihe: Archives in Motion, Band 3] München: epodium, 2014 [im Druck – 13 Seiten]

"Körperkontakt im Tanz: Ästhetische Betrachtungen seiner Artikulation", in: Renate Berenike Schmidt und Michael Schetsche (Hg.): Körperkontakt - Interdisziplinäre Erkundungen, Gießen: Psychosozial Verlag 2012, S. 309-330

"Mediale Transformationen choreographischen Wissens. Das Internetportal Synchronous Objects von William Forsythe", in: Gabriele Brandstetter, Birgit Wiens (Hg.): Theater ohne Fluchtpunkt|Theatre without Vanishing Points. Das Erbe Adolphe Appias: Szenographie und Choreographie im zeitgenössischen Theater, Berlin: Alexander Verlag 2010, S. 182-204