round table: versammeln / verteilen

Elif Çiğdem Artan (Soziologin, Museologin, Kuratorin)
Ulrike Bergermann (Medienwissenschaftlerin)

Serhat Karakayali (Soziologe)


auf Englisch und Deutsch

Welche Beispiele gibt es in jüngster Zeit für Praktiken, bei denen Handlungspotentiale, Ressourcen, Affekte und Informationen so „versammelt“ und „verteilt“ werden, dass neue Formen von Kollektivitäten entstehen? An diesem Round Table nehmen die Kuratorin Elif Çiğdem Artan, die Medientheoretikerin Ulrike Bergermann und der Soziologe Serhat Karakayali teil, um nach den Zusammenhängen und Wechselwirkungen zwischen "versammeln" und "verteilen" als konstitutive Mechanismen für Kollektivierungsprozesse zu fragen. Das Gespräch beginnt mit der Präsentation von drei Beispielen, in denen Kollektivität während ihrer Ausübung (re-)konfiguriert wird: Serhat Karakayali analysiert, wie sich Solidarität zwischen heterogenen Gruppen inmitten des Aufstands von 2013 in Istanbul entfaltete und wie dies zur Entstehung eines „spirit of Gezi” führte. Ulrike Bergermann reflektiert die Handlungungsproduktion und Medialität in den sich überschneidenden Zielen von künstlerischer und ökonomischer Produktion im Kontext des Projekts African Terminal, das vom Kollektiv geheimagenturinitiiert wurde. Elif Çiğdem Artan untersucht die Beziehungen zwischen Infrastruktur und Handlungsportentialen in der Arbeit von autonomen Archiven aktivistischer Videos wie Interference Archivein New York und bak.main Istanbul.

Gemeinsam werden wir zuerst diskutieren, wie in jedem Beispiel “versammeln” und “verteilen” Gestalt annehmen und zu unterschiedlichen Formen von Kollektivitäten führen. Zweitens, welche praktikablen Mechanismen, Schnittstellen und Infrastrukturen dabei zum Tragen kommen. Drittens, inwiefern diese drei Beispiele Möglichkeiten kollektiver Interaktionen im Sinne von „teilen“ und „lernen“ darstellen.

Elif Çiğdem Artan hat ihre geisteswissenschaftliche Doktorarbeit am Internationalen Graduiertenkolleg des Center for Metropolitan Studies der TU Berlin eingereicht. Ihre Dissertation trägt den Titel The Future of the Present: Autonomous Archiving of ActivistVideos. Derzeit ist sie Kuratorin und Koordinatorin des Projekts Bibliothek der Alten des Bundesverbandes der Migrantinnen in Deutschland e.V. im Historischen Museum Frankfurt. Sie ist Mitbegründerin der Museum Professionals Association in der Türkei. Ihre Forschungsinteressen erstrecken sich auf die Bereiche Museologie, Stadt- und Digitalkultur.

Ulrike Bergermann ist Professorin für Medienwissenschaft an der HBK Braunschweig seit 2009, unterrichtete vorher in Köln, Bochum und Paderborn und promovierte in Hamburg zur Gebärdensprachnotation in disziplinärer Perspektive. Gründung der Zeitschrift für Medienwissenschaft und Redaktionsarbeit 2009-2019, GfM-Vorstand 2007-2011, DFG Lenkungsgremium 2010-2015; Arbeitsschwerpunkte in Gender und Postcolonial Studies, Publikationen außerdem zur Geschichte von Medienwissenschaft und Kybernetik, zu Disability Studies, mit Andrea Seier Herausgabe der ZfM 19/2019 zum Thema Klasse; seit Oktober 2015 host des Gender Blogs der ZfM; weitere Publikationen, Lehre usw. unter www.ulrikebergermann.de.

Dr. Serhat Karakayali ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität. Eines seiner Forschungsinteressen liegt in der Erforschung des Aktivismus und neuer Formen der politischen Artikulation und Rekomposition. Vor diesem Hintergrund forschte er an neuen Formen des Protestes wie den Gezi-Protesten in der Türkei und zuletzt an einer Reihe von Studien über Geflüchtetenunterstützungsgruppen in Deutschland und Europa. Neueste Veröffentlichung: Der soziale Raum der Autonomie. Konstruieren von Solidaritätsräumen, Sonderausgabe South Atlantic Quarterly, 2017.