Jiawen Wang, „Abyssial Mimesis“, 2025

Quelle: InstallationsanInstallationsansicht, Foto: Jiawen Wangsicht, Foto: Jiawen WangInstallationsansicht, Foto: Jiawen Wang

In der Arbeit sollen unerforschte Gebiete des digitalen Unterbewusstseins
durch spekulative Biologie zum Leben erweckt werden. Tiefseelebewesen
scheinen oft mysteriös, sie stehen für die Komplexität einer
Welt jenseits unserer direkten Wahrnehmung. Diese immersive
audiovisuelle Installation imaginiert die Wahrscheinlichkeit digitaler
Lebensformen aus dem kollektiven Unbewussten. Mithilfe generativer
Algorithmen und KI-gestützter Bildgenerierung visualisiert
sie hypothetische Entitäten und zieht dabei Parallelen zwischen den
verborgenen Tiefen des Ozeans und den unerforschten Bereichen unseres
digitalen Unbewusstseins.

 

Im ersten Teil der Installation kollidieren Punkte und Linien miteinander
– Rohdaten dienen als genetisches Material – und formen instabile
Geometrien. Das sind digitale Organismen, die sich in Echtzeit
innerhalb eines KI-Modells entwickeln: Bestehende Datensätze
werden neu kontextualisiert, um zu untersuchen, wie Medienkultur
visuelle Erwartungen konstruiert und Wahrnehmung konditioniert.
Benutzt wird dafür ein Stable-Diffusion-Modell mit einer Art
Found-Footage-Ansatz.

 

Die zweite Phase verlagert sich in einen Raum, in dem diese digitalen
Tiefseebewohner als Exponate präsentiert werden. Dabei greift die
Arbeit auf die marine Taxonomie von FathomNet zurück – ein Dataset
zur Klassifizierung realer Tiefseelebewesen, das hier zweckentfremdet
wird, um KI-generierte Entitäten ohne eine biologische Herkunft
zu kategorisieren. Diese subtile Verzerrung macht die Grenzen der
Klassifikation sichtbar und hinterfragt, wie wissenschaftliche Methoden
unsere Wahrnehmung von Realität formen. Das Archiv ist kein
Abbild der Wahrheit, sondern ein Spiegel unseres Verlangens, das Unbenennbare
zu benennen.
Das Projekt ist inspiriert von Gotthard Günthers Polycontexturality
und Vilém Flussers Theorie der technischen Bilder und untersucht,
wie digitale Werkzeuge unsere Weltsicht beeinflussen. Mimesis (griechisch
für „Nachahmung“) bezeichnet die Fähigkeit der Kunst, die
Realität zu spiegeln. Hier wird der Begriff neu interpretiert: KI ahmt
nicht die Natur nach, sondern den kreativen Akt selbst, indem sie spekulative
Entitäten aus kulturellen, digitalen und biologischen Daten
generiert. Wie die Tiefsee – ein Bereich, der sich menschlicher Beobachtung
noch entzieht – reflektieren diese Formen nicht die Realität,
sondern die verborgenen Muster und Verzerrungen der Systeme,
die sie hervorbringen. Das Werk fragt: Was bedeutet es zu kopieren,
wenn es kein Original gibt, sondern nur endlose Feedbackschleifen
zwischen Daten und Imagination?

 

Die Arbeit ist Jiawen Wangs Masterabschluss in der Klasse
Generative Art / Computational Art von Prof. Dr. Alberto de Campo.
wang-jiawen.com, @j.iawenw.ang