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Lesen Sie hier die dreißigste Ausgabe des journals.
Ist der Künstler der Zukunft weniger Schöpfer und vielmehr Kurator? Diese Frage stellt eine der künstlerischen Arbeiten in dieser Ausgabe mit den Worten von Vilém Flusser. Umgekehrt gefragt: Wird er, indem er Kurator ist, zum Schöpfer? Als Kurator seines Wissens und Könnens, und besonders seines Navigierens in einer als fragmentiert empfundenen Welt. Ohne Zweifel gehört dieses Gefühl der gesellschaftlichen, sozialen, sogar metaphysischen Fragmentierung zu den Erfahrungen des „modernen“ Menschen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Wie begegnet man ihr heute? Die hier versammelten Werke zeigen eine überbordende Neugier darauf. Wie ein katastrophischer Moment sich als Ausgangspunkt für eine neue offene Form denken lässt. Es ist eine Umarmung der eigenen dissonanten Welt, der Vielgestaltigkeit der Wahrnehmungen und Haltungen dazu. Sie zeigen einen Willen, sich neu zu positionieren, neue Denkfiguren zu finden und adaptive Strukturen zu erschaffen. Diese „world in pieces“ (nach Linda Nochlin), die aber gleichzeitig eine Normierung von Identität, Wissen und Werten birgt, wird aufmerksam beobachtet und spielerisch reflektiert. Selbst die Sehnsucht nach Langsamkeit, nach einer vereinten Welt in ihrer Vielschichtigkeit und Fülle oder das Eintauchen in Nachdenken über Identität und Sprache, in den eigenen „jungle“ persönlicher Geschichte geschieht weder aus Verzweiflung noch ist es rückwärtsgewandt. Es wird beflügelt von Wissbegierde, der Lust am Experiment, an unbegangenen künstlerischen Wegen. Die Arbeiten einen ihre Energie und ihre Einladung zum Dialog. Ihre offenen Strukturen, die sich auch verändern, abhängig davon, wer sie betrachtet oder betritt. Sie verführen das Publikum zum Innehalten, überraschen es mit Formen oder Ideen, lassen es langsam in die eigenen Erinnerungswelten eintauchen. Oder sie machen es zum Teil eines Kunstwerks, das nur durch seine Anwesenheit aktiviert wird. Hier ist, wie immer, nur ein kleiner Ausschnitt aus der enormen Fülle an künstlerischer Produktion, die beim Rundgang der UdK Berlin im Sommer zu sehen war. Eine Premiere gab es dennoch, und wir stellen sie vor: ein kuratorisches Projekt, das fünf Fachklassen der Fakultät Bildende Kunst bei der Organisation, Installation der künstlerischen Arbeiten und ihrer Präsentation begleitet hat. Und – bei dem die Kuratorinnen selbst Künstlerinnen sind.