Sarah Wilhelm, „Close-up“, 2025
Analoge Fotografien, Digitaldrucke von 35mm-Negativscans,
auf Kapa aufgezogen, 10 x 6,75 cm,
zwei analoge Großformate jeweils 120 x 80 cm
Seit über zehn Jahren begleitet mich analoge Fotografie im Alltag. Aus dieser kontinuierlichen Praxis ist ein Archiv entstanden, aus dem ich wiederholt Motive auswähle, um diese neu aufeinandertreffen zulassen. An ein visuelles Tagebuch erinnernd, suche ich gezielt nach Momenten der Ruhe, nach Zwischenräumen und nach Augenblicken, die kurz innehalten lassen. Zu erkennen sind beiläufige Detailaufnahmen oder Gesten, die nicht unbedingt das Offensichtliche zeigen, sondern stille Beobachtungen und Spuren der Begegnung.
Zufälligkeit spielt in der Motivfindung eine große Rolle, die Entscheidungen für Bildkomposition und Belichtung werden allerdings bewusst getroffen. Im Scanprozess der Negative lenke ich die Farben gezielt, um Stimmungen und Atmosphären zu verstärken. Staub oder überbelichtete Fragmente von Negativstreifen beziehe ich mit ein. Das kleine Format habe ich gewählt, um damit einen Raum der Intimität zu schaffen: Es ist Zeit und ein Herantreten notwendig, um die Motive nicht nur als Gesamtbild, sondern auch im Detail erkennen zu können. Die kleinformatigen Fotografien habe ich aufgezogen und das Material schräg angeschnitten, sodass die Erinnerungen als schwebende Objekte auch den physischen Aspekt einer Begegnung aufgreifen. In der sich stets verändernden oder auch gleichbleibenden Anordnung der Fotografien spiele ich mit einer Frage, die ich mir wiederholt stelle: Ab wann treten die Bilder miteinander in den Dialog und was brauchen diese Begegnungen?
Die verschiedenen Abstände, Höhen und Kombinationen greifen diese Gedanken auf: Komposition, Farbe, fiktive und reale Narration lassen immer wieder neue Zusammenhänge entstehen und eröffnen Räume für Assoziationen, die keiner gleichmäßigen Hängung folgen und zu einer rhythmischen Gesamtdynamik führen. In der Präsentation für meinen künstlerischen Bachelorabschluss ergänzten zwei großformatige Fotografien den räumlichen Gedanken der Arbeit, um eine repräsentative Grundstimmung zu schaffen. Eine zeigt ein Fenster, Licht fällt durch einen verzierten Vorhang. Es ist eine direkte Anspielung auf das Wesen der Fotografie: Transparenz und Licht gestalten den Übergang vom Unsichtbaren ins Sichtbare. Auf der zweiten ist der Moment zu sehen, in dem ein Tropfen von einer Hand herunterläuft und auf das Wasser trifft: Aufmerksamkeit und Entschleunigung des Augenblicks.
Sarah Wilhelm, eine der Preisträgerinnen des Anna-Oppermann-Preises 2025, studiert Bildende Kunst / Lehramt bei Prof. Gregory Cumins.