Steve C. E. Knoll, „La jungle en moi“, 2025

Quelle: Steve C. E. Knoll, „La jungle en moi“, 2025 © Steve C. E. Knoll

Installation, Malerei, Textarbeit, Ready-Mades

 

In dieser installativen Raumarbeit sind persönliche Erinnerung, diasporische Alltagsrealitäten und kunsthistorische Referenzsysteme miteinander verwoben. Ausgangspunkt ist der Afroshop – als Ort des Handels und der Begegnung, als Archiv familiärer Rituale, als Bühne schwarzer Sichtbarkeit. Fünf monumentale Leinwände (je 200 × 200 cm) zeigen Interieurs verschiedener Berliner Afroshops, kombiniert mit floralen Versatzstücken aus Henri Rousseaus imaginären Dschungelbildern. Wie Rousseau, der selbst nie in den Tropen war, komponiert Steve Knoll ein hybrides Bildsystem und einen Raum, der weder dokumentarisch noch fiktiv ist, sondern beides zugleich – ein „innerer Dschungel“. Formal bewegen sich die Malereien zwischen figürlicher Reduktion und grafischer Überlagerung. Die Farbigkeit ist streng in Schwarz und Weiß gehalten. Die schwarze Farbe basiert auf einem selbst hergestellten Pigment aus der Gardeniapflanze – traditionell von Knolls Vorfahren, den Babudu/Mangbetu im heutigen Nordkongo, für rituelle Körperbemalungen verwendet. Dieses Material bildet eine Brücke zwischen Herkunft und Gegenwart, zwischen Kunst und Körper. Die Rückseiten der Leinwände tragen Holzplatten mit Tafellack, darauf fragmentarische Texte in französischer Sprache – poetische Splitter einer Erinnerung an Knolls ersten Besuch in einem Afroshop in La Louvière (Belgien). Die Installationsarchitektur geht auf den Grundriss dieses Shops zurück, den ihm seine Großmutter zeigte. Sie war es, die ihm beibrachte, was es heißt, Schwarz zu sein und in Europa zu leben. Die Textfragmente sind handschriftlich mit Kreide notiert – persönlich, flüchtig und doch schwer. Zwischen den Leinwänden finden sich Ready-Mades: Maniok, Kochbananen, Obststiegen, ein Afrokamm, ein Afroschwamm – Objekte, wie man sie in jedem Afroshop findet, die hier aber zu Zeichen verdichtet sind, Zeichen von Zugehörigkeit und von Repräsentation.

Knolls Arbeit verhandelt Erinnerung als ästhetische Methode – eine Praxis, die an Lebohang Kganye erinnert, aber auch an Stuart Halls Theorie von „becoming identity“: Identität wird nicht besessen, sie wird gemacht – im Nachzeichnen, im Wiederholen, im Anderszeigen. Die Afroshops werden so zu Orten der Aushandlung: zwischen Konsum und Intimität, zwischen Überlagerung und Sichtbarkeit, zwischen autobiografischer Spur und kollektiver Chiffre. Nicht zuletzt evoziert Knoll in der Präsentation seiner überlebensgroßen Leinwände einen bovaresken Moment: Die Betrachtenden stehen vor Vitrinen gleichenden Oberflächen, hineingezogen und gleichzeitig distanziert, projizierend und reflektierend. Die Räume werden nicht nur gezeigt, sie werden imaginiert. „La jungle en moi“ ist kein Versuch, ein authentisches Bild des Afroshops zu geben – vielmehr entsteht hier ein „vrai“, ein Wahrhaftiges, das sich zwischen Material, Geschichte und Begehren entfaltet.

Steve C. E. Knoll ist Absolvent der Bildenden Kunst, Klasse Heike-Karin Föll, Professorin für Zeichnen.