Luise Sandberger, „Relikt einer Häutung“, 2025
Keramik, Buchbindergaze, Metall, 120 x 60 x 5 cm
Meine Arbeit „Relikt einer Häutung“ besteht aus kleinen Keramikfragmenten, die auf Buchbindergaze fixiert und in einen geschweißten Metallrahmen mit Schattenfuge gefasst sind. Sie ist für mich eine Studie – ein spielerisches Aushandeln von Farbigkeit und Duktus, entstanden aus einer langen, experimentellen Suche nach einer eigenen keramischen Farbpalette.
Ausgangspunkt war zum einen der Versuch, einen malerischen Moment, den ich in meinen Keramikskulpturen entdeckt hatte, zu isolieren. Zum anderen der Wunsch, industriell hergestellte Glasuren Schritt für Schritt durch eigene zu ersetzen. Gekaufte Glasuren sind nicht nur deutlich teurer, sondern auch in ihrer Farbpalette begrenzt – man erkennt die typischen Töne bekannter Hersteller oft sofort wieder. Für mich bedeutete das eine gestalterische Grenze.
An diesem Punkt öffneten mir Danijela Pivaševic-Tenner und Silvia Andrade mit ihrem Lehrangebot in der Keramikwerkstatt im richtigen Moment eine Tür. Mit ihrer Unterstützung begann ich, Glasuren herzustellen, eigene Rezepte zu entwickeln und industrielle Rohstoffe dort zu ersetzen, wo es möglich war – etwa durch selbst gesammelte Materialien. So entstanden unerwartete Farben und Effekte: ein besonderer Rot-Orange-Ton durch Kupfer im Grubenbrand (eine primitive Brenntechnik, bei der die Keramik im offenen Feuer gebrannt wird), oder feine Nuancen und Muster mit selbst gemahlenem Muschelmehl. Endlich hatte ich wieder das Gefühl, über unzählige gestalterische Möglichkeiten zu verfügen – und große Freude daran, mich ins chemische Experiment zu vertiefen.
Nach über einem Jahr des Experimentierens hatte ich eine große Sammlung glasierter „Duktusscherben“. Ich sortierte sie nach Form und Farbe, um daraus meine persönliche Farbpalette zu entwickeln. Die Arbeit an der Komposition war ein langer, aber aufregender Prozess: mal präzise und vorsichtig, mal schnell und impulsiv. Immer wieder stand das unfertige Relief wochenlang in meinem Atelier – als ein stiller Begleiter –, bis ein neuer Impuls mich weiterarbeiten ließ.
Der Titel „Relikt einer Häutung“ verweist auf die optische Assoziation zu Schuppen – und zugleich auf den künstlerischen Häutungsprozess, den ich immer wieder durchlaufe. Die Auseinandersetzung mit Dekonstruktion,Zersetzung, Rekonstruktion und Neuzusammensetzung
zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit. Mich fasziniert die daraus entstehende Koexistenz von Brutalität und Schönheit, Skepsis und Hoffnung, Fragilität und Beständigkeit.
Luise Sandberger studiert in der Klasse von Karsten Konrad,
Professor für Bildhauerei und Multimedia.
@luise_sandberger