Was kann ein Preis leisten?

Quelle: Wolfram Beck, „Ohne Titel“, 1985 © Simon Cornelis
Quelle: Wolfram Beck, „Ohne Titel“, 1960 © Simon Cornelis

Kunst zu schaffen ist keine Berufswahl. Es ist Berufung und Identität. Ein lebenslanges Ringen um das Werk, um die Idee, den Entwurf, die Umsetzung und schließlich das Loslassen. Dabei sind die Herausforderungen der Kunst – gerade auch der Bildhauerei – mitunter brutal: teures Material, aufzehrender körperlicher Herstellungsprozess, große räumliche Dimensionen, die selbst für die der Kunst zugewandten Interessenten nicht zu bewältigen sind, ganz zu schweigen von den Anforderungen an Atelier und Lagerung.

Im 20. Todesjahr des Bildhauers Wolfram Beck hat die nach ihm benannte Stiftung einen Bildhauerei-Preis für UdK-Studierende gestiftet, der im Herbst 2025 erstmals vergeben wurde. Beck hat selbst 1961 an der Universität – damals Hochschule für Bildende Künste – das Studium der Bildhauerei als Meisterschüler von Paul Dierckes abgeschlossen. 1930 geboren, erlebte er als Kind Nationalsozialismus, Krieg und Verwundung. Nach Kriegsende war er zwar körperlich genesen, aber der Chance auf schulische Bildung beraubt worden. In Thüringen litt er unter dem Übergang von Krieg und Zerstörung hin zu den zunehmenden Restriktionen der DDR. Nach verschiedenen Lebensstationen stand schließlich sein Studium in West-Berlin für einen zentralen universellen Wert: Freiheit! An seine Zeit an der Hochschule erinnerte sich Beck immer voller Wärme, trotz vieler Entbehrungen, denn das Leben des Studenten war hart. Das eine oder andere Mal hielt das Kantinenpersonal Lebensmittel vom Vortag zurück und steckte sie ihm heimlich zu. Förderungen gab es nicht, er war auf Gönner angewiesen. Traf er Kunst-Interessierte auf ein Gespräch, trug er ein Tuch um den Hals, um den kaputten Kragen seines einzigen Hemdes zu verdecken, was ihm ironischerweise etwas Dandyhaftes verlieh. Für das künstlerisch erfolgreiche und komfortable Leben, das er ab den 1950er Jahren führen durfte, empfand Wolfram Beck zeitlebens eine tiefe Dankbarkeit. Seine letzten Worte schrieb er, weil er nicht mehr sprechen konnte: „Ich danke euch allen“. Diese Dankbarkeit gegenüber dem Leben motiviert mich, seine Tochter, etwas zurückzugeben. Denn Dankbarkeit, geben zu dürfen und Glück zu empfinden bilden eine Einheit.


Die STIFTUNG WOLFRAM BECK will mit dem Preis Kunstschaffenden zur Seite stehen. Ganz bewusst macht es sich die Stiftung schwer. Es geht für uns um die Bildende Kunst, konkret um Bildhauerei, und wir wollen einen Beitrag dazu leisten. Nicht nur, weil Wolfram Beck niemals etwas anderes hätte sein können oder wollen als Bildhauer. Das Konzept des Preises setzt bereits in der Ausbildung an. Die Wahrheit ist, dass nur ein Bruchteil des Budgets einer Universität unmittelbar in der Lehre bzw. bei den jungen Kunstschaffenden ankommt. Die Stiftung sucht daher Wege und Formate, bei denen ein Transmissionsverlust möglichst gering ist. Dazu gehört ein minimaler Verwaltungsapparat in der Stiftung selbst und der Anspruch, möglichst viele Preiswürdige zu adressieren. Daher versuchen wir, den Kontakt mit allen Bewerberinnen und Bewerbern und nicht nur zu den Preisträgerinnen und Preisträgern zu halten, um auf diesem Weg ein informelles Netzwerk zu schaffen.  

Die Ausbildung zum Bildhauer oder zur Bildhauerin zielt auf eine wirtschaftlich selbstständige Tätigkeit ab. Dennoch ist der Übergang vom geschützten Raum einer Universität in die berufliche Realität nicht selten ein Schock. Beruflich bewegt man sich nun in einem Spannungsfeld von „Produktion“, „Kunde“ und „Geld“. Es ist wenig konstruktiv, über ökonomische Interdependenzen die Nase zu rümpfen und die Position einzunehmen, Kunst sei schließlich kein Convenience-Produkt und folge daher anderen Gesetzmäßigkeiten. Spätestens wenn es darum geht, die eigene wirtschaftliche Existenz zu sichern, besteht zwischen den Wirkungszusammenhängen des Kunstschaffens und anderen selbstständigen Tätigkeiten kein Unterschied. Daher glauben wir, dass die Vermittlung der Grundzüge von Wirtschaften zur Ausbildung dazugehört. So unterscheidet sich unser Rat, den wir an die Studierenden der Künste richten, nicht von dem an jeden anderen jungen Menschen: interdisziplinäre Netzwerke bilden, Mentoren finden, wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen lernen und – die eigene Arbeit sichtbar machen!

Sichtbarkeit hat einen genauso hohen Wert wie in anderen Professionen. Sichtbarkeit ist eine Währung. Das Fehlen der eigenen Sichtbarkeit führt zu Entscheidungen, die von den Übersehenen nicht selten als ungerecht empfunden werden, es aber genau genommen nicht sind. Denn: Wer nicht gesehen wird, kann nicht berücksichtigt werden.


Wolfram Beck fand Freunde für das Leben bei nächtlichen Studentenjobs: Architekten, Ingenieure, Journalisten, also gerade nicht innerhalb der eigenen Fakultät. Diesen interdisziplinären Kontakten verdankte er erste große Aufträge für Verlage, Banken und Industrielle, ohne die er als junger Bildhauer nicht hätte überleben können. Netzwerke können auch dazu dienen, sich selbst zu befähigen, Kritik annehmen zu können. Konstruktive Kritik, die das Werk und die Arbeitsweise betreffen, ist für die meisten Kunstschaffenden äußerst schwierig, betrifft sie doch einen unter Geburtswehen hervorgebrachten Teil des Selbst. Aber äußere Reibung ist hilfreich, um an sich selbst zu wachsen. Netzwerke helfen dabei, sich fachfremdes Wissen anzueignen und anderen gesellschaftlichen Gruppen offen zu begegnen und sie besser zu verstehen statt sie zu meiden. Was für ein kulturelles
Miteinander gilt, nämlich gegenseitiges Verständnis durch Wissen übereinander zu entwickeln, gilt für berufliche Beziehungen gleichermaßen. Zum Beispiel mit der Arbeit einer Galeristin, eines Messeveranstalters oder auch der eigenen Steuerberatung vertraut sein und sie respektieren lernen. Respekt und Vertrauen kann nur dort wachsen, wo gegenseitiges Interesse herrscht.

So waren auch die konstruktivsten Momente in Wolfram Becks künstlerischem Leben jene, die aus interdisziplinärer Kooperation entstanden sind. Die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten und Komponisten Hugo Käch, der Kammermusik durch Becks Metallskulpturen im wortwörtlichen Sinne verkörpern wollte. Oder das blinde Vertrauen von Hans Bluhm, HÖRZU-Chefredakteur, der den damals völlig unbekannten Beck mit der Stauette für den 1965 von ihm erfundenen Fernsehpreis „Die Goldene Kamera“ beauftragt hat. Ein gewaltiger Produktivitätsschub resultierte aus der Freundschaft mit dem Steinmetz Johann Tilmann Billen, der Beck z. B. bei der Auswahl der in Stein umzusetzenden Modelle kein Mitspracherecht einräumte – aus tiefstem Respekt und um den schwierigen Künstler vor sich selbst zu schützen.

Was uns daher als Stiftung für die Zukunft vorschwebt, ist die Orchestrierung von interdisziplinären Beziehungen, die dem gegenseitigen Verständnis und dem unbürokratischen Transfer von Erfahrung und Wissen dienen soll. Diese Netzwerke sollen dazu beitragen,
die Kunstschaffenden aus dem Dschungel ökonomischer Interdependenzen herauszuführen und ihnen Entscheidungsparameter außerhalb des kreativen Prozesses anzubieten. Sichtbarkeit werden sie nicht ersetzen können, aber verbessern helfen. Und wenn der Wolfram Beck Preis für Bildhauerei einen bescheidenen Anteil an gegenseitigem Verständnis und mehr Sichtbarkeit leisten darf, dann hat er seine Berechtigung und Bestimmung gefunden. 

Karoline Beck ist Unternehmerin und Stifterin. Sie leitet die STIFTUNG
WOLFRAM BECK und die zugehörige Galerie, die regelmäßig junge
künstlerische Positionen zeigt und diese in Bezug zu den Arbeiten von
Wolfram Beck stellt. Einmal im Jahr lobt die Stiftung den
Wolfram Beck Preis für Bildhauerei aus.
www.stiftung-wolframbeck.com; wolframbeck.com