Nachruf auf Ben Wagin

Quelle: Norbert Palz

Die Universität der Künste Berlin trauert um Ben Wagin. Seine Verbindungen zur Hochschule und ihren Vorläuferinstitutionen reichten bis in die späten 1940er Jahre zurück und waren weniger institutioneller als vielmehr emotionaler und persönlicher Natur.

Angekommen in Berlin besuchte der von schweren Fluchterfahrungen gezeichnete junge Wagin, - gewappnet mit einer historischen Publikation der Hochschule der Bildenden Künste Berlin unter dem Arm - den kriegszerstörten Ruinengarten am Hochschulstandort Hardenbergstraße. Der mit einem Gingkobaum bepflanzte Garten, gerahmt von der historistischen Architektur der Hochschule, bot dem Suchenden nicht nur einen friedlichen Ankunftsort nach den traumatischen Erlebnissen des Krieges, sondern war auch Vorschein auf ein zukünftiges Leben in Beschäftigung mit den Künsten, welches er in den Folgejahrzehnten in verschiedenen Rollen in Berlin und anderswo umsetzen würde.

In den späten 1950er Jahren arbeitete und studierte Ben mit Karl Hartung, der seinerzeit eine Professur für Bildhauerei an der Hochschule der Bildenden Künste Berlin innehatte. Nach einer Übergangszeit als Galerist kehrte er 1985 als Künstler mit der performativen Pflanzung eines Gingkobaum im ebenselben Ruinengarten an die Hochschule zurück, der heute zu einem stattlichen Baum hochgewachsen ist. Weitere Aktionen wie der „Aufstand der Bäume“ und die Ausstellung „Europa der toten Hände. Sonnenblumenoasen gegen Kriege ++++ Gewalt“ folgten, auch unter Beteiligung der Technischen Universität. In den letzten zwei Jahren suchte Ben wieder vermehrt den Kontakt mit der Universität, dies auch im Bewusstsein seines absehbaren Lebensendes, welches er klar im Blick hatte. Aufgrund seiner jüngsten Initiativen entstanden Kooperationen mit Studierenden des Studiengangs Architektur, die sich mit dem Areal Wagins am Gleisdreieck beschäftigten. Planungen einer künstlerischen Gedenkveranstaltung im Ruinengarten waren weit gediehen, die jedoch - wie viele - pandemiebedingt abgesagt werden musste.

Die Beziehung zwischen Natur und Gesellschaft war für Ben ein elementares künstlerisches Sujet, anhand dessen die Entfremdung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt bestimmbar und konsequent bildhauerisch, zeichnerisch und performativ übersetzbar wurde. Menschsein bedeutete für Wagin, sich seiner Rolle als Teil eines größeren Ökosystems bewusst zu werden und entsprechend so zu leben, dass der respektvolle Austausch zwischen den Akteuren  - seien sie nun menschlich oder nicht-menschlich - gewahrt werden konnte. Die direkte Naturerfahrung lieferte Wagin jedoch auch immer einen ganz privaten Schutz-, Erfahrungs- und Dialograum in absentia seiner Mitmenschen, die er nach den gemachten eigenen Erfahrungen von Kindheit und Jugend kritisch betrachtete. So verarbeitet ein eindrücklicher und weniger prominenter Teil seines bildhauerischen und installativen Werkes den Krieg und die Shoa. Es sind Arbeiten, die zu den schmerzhaftesten künstlerischen Zeugnissen des 20. Jahrhunderts zählen und von hohem künstlerischen Wert sind. 

Lieber Ben, mit deinem Tod verlieren wir einen einzigartigen Menschen, einen herausragenden und produktiven Künstler und einen großen Verfechter und Vermittler der Künste in der Gesellschaft. Als Universität der Künste Berlin möchten wir dir für dein Wirken viel zu spät einen großen Dank aussprechen.

 

Prof. Dr. Norbert Palz, Präsident der UdK Berlin