Brücken zum Gesundheitssystem und zur Gesellschaft - Der Europäische Musiktherapiekongress 2025 in Hamburg
Musiktherapie im Fokus: Hoffnung, Heilung und ein Appell an die Politik
Hamburg, Juli 2025 – Wenn Musik heilt, sollte sie auch helfen dürfen – überall. Diese Botschaft durchzog den 13. Europäischen Musiktherapie-Kongress, der vom 23. bis 27. Juli 2025 in Hamburg stattfand. Unter dem Motto „bridges“ versammelten sich über 800 Teilnehmende aus mehr als 40 Ländern, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse, bewegende Fallbeispiele und politische Forderungen rund um die Musiktherapie zu diskutieren.
Ein zentrales Thema: die fehlende Kostenübernahme musiktherapeutischer Leistungen im ambulanten Bereich. Obwohl die Wirksamkeit der Musiktherapie bei psychischen und körperlichen Erkrankungen inzwischen gut belegt ist – etwa bei Depressionen, Angststörungen, neurologischen Erkrankungen oder in der Krebsbehandlung – bleibt sie für viele Patient*innen außerhalb stationärer Einrichtungen unzugänglich. „Das muss sich dringend ändern“, fordert Prof. Dr. Lutz Neugebauer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft. Besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, Menschen mit Behinderungen oder Geflüchtete seien auf diese nonverbale Therapieform angewiesen.
Wissenschaftlich fundiert, menschlich berührend
Seit dem letzten internationalen Musiktherapie-Kongress in Deutschland 1996 sind laut PubMed fast 9000 Fachartikel zur Musiktherapie erschienen – darunter über 1500 randomisierte Studien und 360 systematische Übersichtsarbeiten. Die in 2025 neu erschienene S3-Leitlinie Demenz empfiehlt Musiktherapie ausdrücklich zur Behandlung der kognitiven Defizite wie auch bei psychischen Begleiterscheinungen wie Angst und Unruhe. Auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stellte bereits 2019 fest, dass die fehlende ambulante Erstattung sozial benachteiligte Gruppen ausschließt.
Musik als Brücke – auch bei Parkinson und in der Psychosomatik
Im Rahmen der wissenschaftlichen Posterausstellung des Kongresses gewann die UdK-Absolventin Stefanie Pügge einen Posterpreis. Aufsehen erregte auch die Präsentation von Prof. Dr. Stefan Mainka, der erste Studienergebnisse zur einer innovativen Musik-App vorstellte. Die App nutzt Smartphone-Sensoren, um ein musikalisches Bewegungsfeedback zu erzeugen. Das musikbasierte Gangtraining zeigt vielversprechende Effekte bei Parkinson-Betroffenen – ein Beispiel dafür, wie moderne Technologie und Musiktherapie Hand in Hand gehen können. Eine weitere Arbeit aus dem Fachbereich Musiktherapie präsentierte Prof. Susanne Bauer. Die Studie untersucht, wie psychosomatische Patienten Gruppenmusiktherapie erleben und welche positiven Veränderungen sie dadurch erfahren. Die Teilnehmer berichten von gesteigerter Selbstwahrnehmung, emotionaler Verarbeitung, mehr Vertrauen in die Gruppe und neuen Einsichten. Die Ergebnisse zeigen, dass Musiktherapie tiefgreifende psychische Prozesse anstoßen kann und Selbstbeurteilungsfragebögen dafür eine wertvolle Methode sind.
Ein internationales Signal
Der Kongress war nicht nur ein wissenschaftliches Forum, sondern auch ein emotionales Plädoyer für mehr Menschlichkeit im Gesundheitssystem. Musiktherapie überwindet Sprachbarrieren, stärkt Bindungen und schafft Zugänge, wo Worte fehlen. „Ein Gesundheitswesen, das ‚ambulant vor stationär‘ propagiert, muss auch die Musiktherapie für alle zugänglich machen“, so Neugebauer. Die Musiktherapie hat längst bewiesen, dass sie mehr ist als eine ergänzende Maßnahme – sie ist Brücke, Wissenschaftsdisziplin und Heilmittel zugleich. Es liegt nun an der Politik, diese Brücke auch im ambulanten Bereich zu bauen.
Quelle: Press - Bridges - 13th European Music Therapy Conference