Der Tod der Natur und ihre langsame Wieder-Belebung
Cord Riechelmann
Der Tod der Natur und ihre langsame Wieder-Belebung
Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Donnerstags, 16-20:30 Uhr, 6 Termine: 17.4., 22.5., 12.6., 26.6., 10.7., 17.7.2025, Hardenbergstr. 33, Raum 110 (17.7. außerhalb)
Anmeldung auf Moodle beginnt am 14.4.2025: https://moodle.udk-berlin.de/moodle/course/view.php?id=2645
Einschreibeschlüssel: natur
Der Natur geht es nicht gut. Seit ungefähr vierhundert Jahren versuchten die Philosophen die Natur umzubringen, schreibt der britische Naturphilosoph Ian Hamilton Grant in seinem Essay „Das Ende der Natur“. Auch wenn die Philosophen beim Erledigen der Natur nicht allein blieben, sie hatten viele willige Helfer, ändert das nichts an der Diagnose vom Verschwinden oder Untergang der Natur. „Der Tod der Natur“, den die Wissenschaftshistorikerin Carolyn Merchant bereits 1980 konstatierte, ist also nicht nur ein aktuelles Ereignis. Und es ist feministischen Wissenschaftshistorikerinnen wie Londa Schiebinger zu verdanken, diesen schleichenden Tod in ein Netz von Wissenschaft, Handel und Politik eingebunden zu haben. So konnten Schiebinger und Kolleginnen zeigen, dass die frühneuzeitliche Botanik im Zusammenhang mit den kolonialen Eroberungen nicht nur „big science“, sondern immer auch „big business“ war. Und ein großes Geschäft sind die Wissenschaften von der Natur, in deren Folge z.B. Tiere auch rechtlich zu „Sachen“ wurden, also zum Äquivalent von Shampoo und Kühlschrank, bis heute geblieben. Es waren aber Philosophen wie Alfred North Whitehead und Botanikerinnen wie Robin Wall Kimmerer, die darauf hinwiesen, dass auch Steine ein Empfinden und Pflanzen eine Seele haben. Im Seminar soll ausgehend von der Geschichte des modernen Rationalismus dieser Einbruch des Denkens und Fühlens in den scheinbar toten Raum der Natur und damit ihre langsame Wiederbelebung in seinen Auswirkungen für unser Handeln und unsere Politiken zur Sprache kommen.
Literatur:
Ian Hamilton Grant: Die Natur Der Natur.
Robin Wall Kimmerer: Geflochtenes Süßgras. Die Weisheit der Pflanzen.
Jason W. Mason: Kapitalismus im Lebensnetz. Ökologie und die Akkumulation des Kapitals.
Carolyn Merchant: Der Tod der Natur. Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft.
Londa Schiebinger, Claudia Swan (Hrsg.): Colonial Botany.
Alfred North Whitehead: Prozeß und Realität. Entwurf einer Kosmologie.
Leistungsanforderungen für den unbenoteten Schein: regelmäßige und aktive Teilnahme, Zuhören, Mitdenken und Argumente entwickeln.
Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle, studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die „Geschichte biologischer Forschung“. Außerdem arbeitete er als Kolumnist und Stadtnaturreporter für die „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Autor der Bücher „Bestiarium“ (2003)„Wilde Tiere in der Großstadt“ (2004) und Herausgeber "Zu einer Ästhetik des Lebendigen" (2015). Er kuratierte zusammen mit Marcel Schwierin das Sonderprogramm zum „Kino der Tiere“ bei den Kurzfilmtagen 2011 in Oberhausen. 2013 erschien das Buch „Krähen. Ein Porträt“ bei Matthes & Seitz, "Vögel" (2021) im Dudenverlag, zuletzt „Leichtes Unbehagen. Von Menschen und anderen Tieren“ (2022) zusammen mit Rosemarie Trockel im Verlag der Buchhandlung Walther König. Riechelmann schreibt für diverse Zeitungen u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die taz und cargo. Er unterrichtet wiederkehrend im Studium Generale der Universität der Künste Berlin.