Politik nach der Natur

Cord Riechelmann
Politik nach der Natur

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Dienstags, 16-20 Uhr, 8 Termine: 22.10., 5.11., 19.11., 3.12, 17.12.2019, 7.1., 21.1., 4.2.2020,
Hardenbergstr. 33, Raum 004

Der Wissenschaftsphilosoph Michel Serres hat einmal den politischen Raum als Ausdehnung seiner Teilnehmer*innen beschrieben. Was bei den alten Griechen als eine Versammlung von erwachsenen Männern mit ausgeschriebenem Bürgerrecht begann, hat sich in einem langen und aufopferungsvollen Kampf auf Arbeiter, Frauen, Indigene, Kinder und seit kürzerem auch auf Tiere mit je eigenen Rechten ausgedehnt. Serres hatte in disem Zusammenhang gefordert auch Dingen wie Flüssen oder Meeren ein Recht zuzugestehen, das es ihnen gestattet, nach einer Ölkatatastrophe auf Schadenersatz bzw. körperliche Unversehrheit zu klagen.
Es ist der Ökologie also gelungen, von Objekten aus, die bislang nicht zu den gängigen Anliegen des öffentlichen Lebens gehörten, die Politik aufzumischen und sie auf ihre zu enge Definition von sozialer Welt zumindest hinzuweisen. Insofern ist es der politischen Ökologie immerhin gelungen, neue Streitthemen in die Öffentlichkeit einzuführen. Im Seminar soll ausgehend von Bruno Latours „terrestrischem Manifest“ und Begriffen und Wendungen wie „nach der Natur“, „politische Ökologie der Dinge“, „Verwandtschaft der Arten“ und „wildem Denken“ gefragt werden, inwiefern Gesellschaften gerade durch die Beachtung nicht-menschlicher Kräfte, die in ihnen wirken, ihre Verhärtungen weicher und ihre Strukturen unperfekter machen können. Es werden die klassischen Kulturtechniken wie Lesen, einen Gedanken aussprechen und Zuhören zum Einsatz kommen.

Literatur:
Bennett, Jane: Vibrant Matter. A political ecology of things. Duke University Press, 2010.
Latour, Bruno: Das terrestrische Manifest. Edition suhrkamp, 2018.
Serres, Michel: Aufklärungen. Fünf Gesspräche mit Bruno Latour. Merve Verlag, 2008.
Viveiros de Castro, Eduardo: Kannibalische Metaphysiken. Elemente einer post-strukturalen Anthropologie. Merve Verlag, 2019.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: aktive und regelmäßige Teilnahme.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: orientierend, kritisch
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, aneignen

Cord Riechelmann, geboren 1960 in Celle, studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. Er war Lehrbeauftragter für das Sozialverhalten von Primaten und für die „Geschichte biologischer Forschung“. Außerdem arbeitete er als Kolumnist und Stadtnaturreporter für die „Berliner Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Autor der Bücher „Bestiarium“ (2003) und „Wilde Tiere in der Großstadt“ (2004). 2008 erschien eine Sammlung der Stimmen der Tiere Europas, Asiens und Afrikas, 3 CDs bei kein und aber. Er kuratierte zusammen mit Marcel Schwierin das Sonderprogramm zum „Kino der Tiere“ bei den Kurzfilmtagen 2011 in Oberhausen. Zuletzt erschien das Buch „Krähen. Ein Porträt“ (2013) bei Matthes & Seitz. Riechelmann schreibt für diverse Zeitungen u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, den Merkur, die taz und die jungle world. Er unterrichtet wiederkehrend im Studium Generale der Universität der Künste Berlin.