Grundlagen

Das Konzept der Klangumwelten

Die erste Aufgabe der Auditory Architecture Research Unit bestand darin, den Forschungsgegenstand konzeptuell zu bestimmen. Es war notwendig, den Begriff Klang im architektonischen Kontext so zu präzisieren, dass dieser sich einerseits eindeutig von anderen verwandten Begriffen wie Schall, Lärm, Geräusch oder Ton unterscheiden lässt und andererseits die Basis einer praktischen Operativität für das architektonische Entwerfen bildet. Das Konzept der Klangumwelten – Forschungs- und Gestaltungsgegenstand der Auditiven Architektur – ist somit als Spezifizierung des Klangbegriffs im architektonischen Kontext zu verstehen und wird als eine Situation in ihrer Ganzheit definiert, so wie sie sich durch das Wahrnehmen als Klang im Bewusstsein der Hörenden manifestiert. 

Diese Definition beruht auf einem Konzept von Wahrnehmung, das im Kontext der kognitionswissenschaftlichen Strömung des embodied cognition entwickelt wird. Auf diesem transdisziplinären Forschungsgebiet, in dem Kenntnisse und Methodologien verschiedener Wissensdisziplinen zusammenfließen, wurde Anfang der 90er-Jahre das sogenannte enactive approach zur Kognition vorgelegt. Demnach wird Wahrnehmung als eine mehrschichtige, dynamische Interaktion zwischen dem erkennenden Subjekt und seiner Umgebung verstanden, in der beide Instanzen sich in einem ununterbrochenen Prozess von Sinngebung gegenseitig bestimmen: Das Subjekt bringt durch das Erfahren seiner Umgebung seine Umwelt hervor, d. h. transformiert also auf kognitiver Ebene sein Medium in eine durch den Sinn geprägte, kohärente, stabile und zugleich sich immer wieder aktualisierende Welt, in der das Subjekt sich als solches selbsttransformierend erkennt. Für das Subjekt bildet die Umwelt dementsprechend das operative Ergebnis dieses Prozesses, folglich seine Wirklichkeit. Die Klangumwelt ist der auditive Anteil dieser dynamischen Wirklichkeit, also das, was das Subjekt im konstituierenden Prozess seiner Erfahrung als Klang erkennt, was das Subjekt letztlich bewusst hört. Dem Begriff der Klangumwelt nach, ist das Gehörte weder an sich existierend – d. h. der akustische Teil einer vom Subjekt unabhängig bestehende Realität –, noch ist es ein rein subjektives Artefakt – also die Konstruktion eines von seiner Umgebung unabhängigen Subjektes. Klangumwelten sind dynamische Hervorbringungen eines verkörperten und situierten Subjektes.

Diesem Konzept folgend, stellt die Wahrnehmung von Klangumwelten einen ersten fundamentalen Gestaltungsakt dar: der Akt der kognitiven Gestaltung des Dazwischen, das die auditive Interaktion mit einer architektonischen Umgebung konstituiert und reguliert. Das Wahrnehmen als kognitive Gestaltung bildet somit den Ausgangspunkt für jegliche Bestimmung der Hörbedingungen durch eine auditive Architektin, einen auditiven Architekten und muss als Voraussetzung für jeden Entwurf betrachtet werden. Aus diesem Grund ist die Erfassung der Klangumwelten die unumgänglich erste Phase jedes Forschungs- und Gestaltungsprojektes in der Auditiven Architektur.