Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums 1868-1924

Das Wort „Anstalt” hat heute keinen guten Klang, auch die Verbindung mit „Unterricht” mindert diese Wahrnehmung kaum. Allzu leicht denkt man an Institutionen, deren Aufgaben kontrollierend und reglementierend, wenn nicht strafend sind. Im 19. Jahrhundert war die Bezeichnung neutral. Der Akzent liegt auf dem Kunstgewerbemuseum, der neben der schulischen Einrichtung übrigens auch eine bedeutende Bibliothek angehörte, die heutige Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin.

Das Museum wurde 1866 durch eine private Initiative, getragen von einem Museumsverein, gegründet. Bereits zwei Jahre danach eröffnete eine ihm angeschlossene Schule, die neben Tageskursen auch Abend- und Sonntagskurse anbot, um Handwerkenden den Besuch zu ermöglichen, die sich fortbilden wollten. Ziel war es, Kunst und Handwerk einander anzunähern – Schule und Sammlung sollten einander ergänzen. 1885 wurde das Kunstgewerbemuseum mitsamt der ihm angeschlossenen Schule vom preußischen Staat übernommen. Das Museum bezog 1881 einen Neubau, den heute nach seinem Architekten benannten Martin-Gropius-Bau. In unmittelbarer Umgebung entstand bis 1905 in der Prinz-Albrecht-Straße ein eigenes Gebäude für die Schule.

Schulleiter war von 1874 bis 1904, also dreißig Jahre lang, der Maler Ernst Ewald. Seit den Achtzigerjahren betrieb Moritz Meurer von hier eine Reform des Studiums der Natur in den kunstgewerblichen Fächern. Sein Schüler und Assistent Karl Blossfeldt entwickelte in diesem Kontext seine unverwechselbare fotografische Kunst. Von 1897 bis zu seinem frühen Tod 1902 lehrte Otto Eckmann mit großer Resonanz an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums. Wichtig war auch die Klassik für Graphik und Buchgewerbe von Emil Orlik, der unter anderem George Grosz, Hannah Höch und Karl Hubbuch angehörten. Als 1907 der Architekt, Innenarchitekt und Möbeldesigner Bruno Paul, der durch seine Karikaturen im Simplicissimus bekannt war, die Schulleitung übernahm, war dies im wilhelminischen Deutschland beinahe ein Politikum.

Die Entwicklung der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums war durch die Moderne begünstigt, die den Alltag mit Kunst durchdringen wollte und eine „künstlerische Kultur” zu schaffen versprach– der Blick vieler Künstler*innen richtete sich auf das Kunstgewerbe. Als Käthe Kollwitz überlegte, auf welche künstlerische Ausbildungsstätte sie ihren Sohn Peter schicken könnte, riet ihr Max Liebermann, die Kunstgewerbeschule und nicht die akademische Hochschule zu wählen. Peter Kollwitz fiel in den ersten Wochen des Weltkriegs, im Oktober 1914. Im Universitätsarchiv befindet sich der Anschlag, der seinen Tod an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums bekannt machte. 1924 wurde die Kunstgewerbeschule mit der akademischen Hochschule für die bildenden Künste fusioniert.

Literatur

Johann Dorotheus Achatz Ferdinand Graf Rothkirch-Trach: Die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin zwischen 1866 und 1933. Eine Studie zur Kunstentwicklung in Deutschland Diss. phil. Bonn 1984.

Dorotheus Rothkirch: Die Geschichte der Unterrichtsanstalt des Deutschen Gewerbe-Museums Berlin (1897-1924), in: Packeis und Pressglas. Von der Kunstgewerbe-Bewegung zum Deutschen Werkbund, hg. v. Angelika Thiekötter und Eckhard Siepmann. Gießen 1987, S. 272-277.

Rosmarie Beier, Leonore Koschnick: Der Martin-Gropius-Bau. Geschichte und Gegenwart des ehemaligen Kunstgewerbemuseums. 2. Aufl. Berlin 1988.

Nancy Tanneberger: Von Waldenburg nach Rom. Der Maler und Kunstschulreformer Moritz Meurer, in: Zwischen Residenz und Töpferscheibe. 750 Jahre Waldenburg. Waldenburg 2004, S. 117-129.