Die Jüdische Private Musikschule Hollaender

1936-1940

Das Stern’sche Konservatorium der Musik wurde nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung” gleichgeschaltet und „arisiert”. Eigentümer*innen waren damals die drei Kinder Gustav Hollaenders, sie wurden gezwungen, das renommierte Institut weit unter dem Schätzwert zu verkaufen. Ab 1936 befand sich in den Räumen des ehemaligen Stern’schen Konservatoriums das „Konservatorium der Reichshauptstadt Berlin”.

Gleichzeitig beschlossen entlassene jüdische Lehrkräfte, unter ihnen Paula Salomon-Lindberg sowie die Miteigentümerinnen des Stern’schen Konservatoriums, Susanne Landsberg-Hollaender und Mela Herz-Hollaender, ein eigenes jüdisches Konservatorium zu gründen. Geleitet wurde es von Gustav Hollaenders Sohn Kurt Hollaender, dem bisherigen Geschäftsführer des Stern’schen Konservatoriums. Es wurden Räume in der Sybelstraße 9 in Charlottenburg angemietet. Die NS-Behörden genehmigten den Unterrichtsbetrieb.

Die jüdische Presse Berlins begrüßte die Eröffnung am 15. April 1936 als „ein erfreuliches Zeichen des Optimismus”. In kürzester Frist erreichte die Musikschule Hollaender mit 39 Lehrkräften und 163 Schüler*innen nahezu zwei Drittel des Umfangs, den das Stern’sche Konservatorium in den Dreißigerjahren besessen hatte. 1937 konnte ein Opern- und Operettenstudio eingerichtet werden.

Doch stand der Schulbetrieb, wie Paula Salomon-Lindberg bezeugte, von Anfang an im Zeichen äußerer Bedrohung. Die Pogrome vom 9./10. November 1938 bildeten einen Einschnitt. Es entstanden ernsthafte Probleme durch die Fluktuation im Lehrkörper infolge der zunehmenden Auswanderung. Eine umso größere Rolle spielte die Musikschule nun jedoch für die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses für das Orchester des Jüdischen Kulturbundes und das Orchester der Jüdischen Künstlerhilfe, die 1939 vereinigt wurden und ebenfalls unter Personalnot litten.

Im Juni 1940 unterrichteten nur noch zwölf Musiker*innen an der Schule. 1941 wurde Kurt Hollaender in einem Sammellager in der Levetzowstraße festgesetzt, dort musste er am 30. Oktober die Enteignung der Musikschule Hollaender quittieren. Noch am selben Tage wurde er mit seiner Frau und zwei Kindern nach Łódź deportiert. Seine Schwester, Susanne Landsberg-Hollaender, wurde 1943 aus Berlin deportiert und in Auschwitz ermordet, ihr Todesdatum ist unbekannt. „Von den meisten der Lehrenden und Studierenden”, muss Christine Fischer-Defoy, die Historikerin der Musikschule Hollaender, konstatieren, „verlieren sich die Spuren in den Vernichtungslagern.”

Literatur

Christine Fischer-Defoy: „Wir waren schließlich durch das Schicksal verbunden.” Die jüdische Private Musikschule Hollaender in Berlin. In: mr-Mitteilungen Nr. 64 (Juli 2008), hg. v. musica reanimata. Förderverein zur Wiederentdeckung NS-verfolgter Komponisten und ihrer Werke e. V., Seite 1-10.