Zwischen Kanon und Marginalisierung: Vielfältige Perspektiven auf Instrumentalmusik im 18. Jahrhundert
Montags, 18.30-20.00 Uhr
Online via Webex
Veranstaltet von Dr. Dorothea Hilzinger und Prof. Dr. Christine Hoppe
Wendet man den Blick auf die – mitteleuropäische, komponierte – Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts, so rücken oft automatisch die sogenannten „großen Namen“ wie Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven in den Vordergrund. Diese Fokussierung ist jedoch selbst Ausdruck einer bestimmten Perspektive der Musikgeschichtsschreibung, in der es häufig um nichts Geringeres als „die Geschichte“ der Symphonie, des Instrumentalkonzerts, des Streichquartetts oder der Tastenmusik geht. In der Folge stehen meist die kanonisierten Kompositionen dieser Gattungen und Personen im Zentrum musikgeschichtlicher Narrative.
Im Rahmen des Live Talks ist es unser Ziel, gängige Erzählmuster der Musikgeschichtsschreibung kritisch zu hinterfragen und Raum für neue, differenzierte Perspektiven zu schaffen. Im Zentrum steht die Sichtbarmachung der Vielfalt und Komplexität der musikalischen Praxis des 18. Jahrhunderts. Damit wollen wir die traditionell werk- und autorzentrierte Betrachtungsweise erweitern und eine andere Erzählweise ermöglichen: Statt ausschließlich Gattungen und kanonisierte Persönlichkeiten in den Mittelpunkt zu stellen, richten wir den Blick auf Handlungsräume und Personen, die in der herkömmlichen Musikgeschichtsschreibung oft übersehen oder in den Schatten gestellt wurden – darunter Frauen wie Elisabetta Gambarini und Marianna von Martines, oder People of Colour wie Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, und Ignatius Sancho. Anhand von Komponisten wie Joseph Martin Kraus, Johann Stamitz und Leopold Koželuh fragen wir explizit nach den Mechanismen, die aus zu Lebzeiten anerkannten Musikern Randfiguren der Musikgeschichtsschreibung gemacht haben. So wird eine gerade fürs 18. Jahrhundert oft werkzentrierte Ereignisgeschichte um sozial- und rezeptionsgeschichtliche Ansätze erweitert, hin zu einer Musikgeschichte mit Raum für alternative Handlungsfelder und Ordnungskategorien.
Anmeldung
Für UdK-Studierende findet die Anmeldung über my.UdK statt.
Interessierte Externe melden sich bitte per Mail bei unserer studentischen Hilfskraft, Frau Tamina Pamir, unter t.pamir[at]udk-berlin.de.
Programm
27.10. Dorothea Hilzinger und Christine Hoppe (Berlin)
 Einführung in Mechanismen der Musikgeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts
3.11.Guido Olivieri  (Austin, TX)
 Rediscovering a Marginalized Repertory: Instrumental Music and String Virtuosi in 18th-Century Naples
10.11. Caryl Clark  (Toronto)
 Performing Parisian Style: Joseph Bologne and his Contemporaries c.1780
17.11. Johannes Schröder  (Berlin)
 „hätten sie nicht das Unglück gehabt, Zeitgenossen von Haydn und Mozart zu sein“ – Die Mannheimer Hofkapelle zwischen Sensation, Vergessen und Wiederentdeckung
24.11. Claudia Schweitzer  (Paris/Bremen) und Adrienn Illes (Berlin)
 Karrieren im Verborgenen? Handlungsspielräume und Grenzen musikalischer Selbstverwirklichung französischer Cembalistinnen im 18. Jahrhundert, aufgezeigt am Beispiel Elisabeth Jacquet de la Guerres
1.12. Kimary Fick (Corvallis, OR)
 The Flute Sonatas of Anna Bon di Venezia (1738–?) and Amateur Male Musicianship
8.12. Stephanie Acquavella-Rauch (Mainz)
 Jenseits des Kanons: Musikalische Mikrogeschichte(n) aus dem Schatten verlorener Residenzen
15.12. Michael Braun  (Regensburg)
 Davor oder dazwischen: Sammartini und die frühe Sinfonie im 18. Jahrhundert zwischen Teleologie und Marginalisierung
5.1. Markus Böggemann (Wien)
 „Durch die Hintertür hinaus“ – Wie Johann Mederitsch gen. Gallus der Kanonisierung entkam
12.1. Markus Neuwirth (Linz)
 Annäherungen an den Sternenhimmel“: Neue kanonische Variationen am Beispiel der Klaviersonaten Leopold Koželuhs und Muzio Clementis
19.1. Melanie Unseld (Wien)
 Marianna Martines. Instrumentales Komponieren für Wiener Salons des ausgehenden 18. Jahrhunderts
26.1. Rebecca Cypess  (New York, NY)
 Orality and Literacy in the Music of Ignatius Sancho
2.2. Alison DeSimone  (Maine, USA)
 Elisabetta de Gambarini and the Exhaustion of Trauma in Eighteenth-Century Music
9.2. Abschlusstalk mit Lucas Blondeel  (Berlin)
 Zwischen Musikgeschichte, Praxeologie und Interpretationsforschung: Zum Projekt „Inside the Hearing Machine“
