Trompetenunterricht digital?!

Gabor Tarkövi
Quelle: Roman Rindberger

Trompetenunterricht digital?!

Interview mit Prof. Gábor Tarkövi (aufgezeichnet am 30.4.2020)

Gábor Tarkövi wirkt seit 2018 als Professor für Trompete an der UdK Berlin. Bei den Berliner Philharmonikern spielte er von 2004 bis 2019 und auch schon davor war er bei großen Orchestern, u.a. dem Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks tätig.

Als Trompeter ist er mit dem Blechbläserensemble Pro Brass, der Austrian Brass Connection, dem Wien-Berlin Brass Quintett und dem Berlin Philharmonic Brass Trio weltweit unterwegs.

Ein Gespräch über die erschwerten Bedingungen des Trompete-Studiums in Zeiten der Corona-Pandemie.

 

Herr Tarkövi, wo halten Sie sich gerade auf?

Ich bin in Ungarn und gerade in der Nähe von Budapest auf dem Land - da trifft man wenige Leute. Ich weiß momentan noch nicht, wie und wann ich zurück nach Berlin fahren und wieder ganz normal unterrichten kann. Beim Trompeten gibt es angeblich auch das Problem, dass man viel Spucke produziert. Da ist natürlich besonders gefährlich sich anzustecken.

 

Auch wenn das Sommersemester 2020 ein ungewöhnliches ist, geübt werden muss natürlich trotzdem. Wie findet gerade Unterricht statt?

Also meine Studierenden haben schon teilweise Probleme mit den Nachbarn. Ich habe Ihnen geraten, zum Üben in Parks oder in den Wald zu gehen und ein Student übt z.B. seit einigen Wochen  in meiner leerstehenden Wohnung - er holt auch meine Post und schaut nach meinen Pflanzen, er ist eingeweiht – und für mich ist es ein gutes Gefühl, dass jemand auf die Wohnung schaut, denn wer weiß, wann ich wieder hindarf.

Von meinen 12 Studierenden sind aktuell nur vier in Berlin, die anderen sind in Europa verteilt. Sie kommen aus Deutschland, Ungarn, Spanien, Russland, Frankreich, Italien, Österreich und Luxemburg und haben teilweise erschwerte Studienbedingungen.

Wir treffen uns in einem digitalen Raum. Manchmal klappt das gut, manchmal ist es schrecklich...aber auf diese Weise unterrichtet zu werden, hat auch ein paar Vorteile.  Die Studierenden werden eigenständiger und weil sie immer alles aufnehmen was wir bearbeiten, sind sie viel kritischer, weil sie hören, wie es wirklich klingt. Ich versuche auf zwei Schienen zu arbeiten – zum einen gibt es die Aufnahme, die von den Studierenden wirklich konzentriert gemacht werden soll. Es ist hilfreich, weil man sich selbst spielen hört und dann einschätzen lernt, ob man schon zufrieden ist. Dazu nehme ich eine sogenannte Orchesterrunde auf, das sind bestimmte Stücke, die dann von den Studierenden einzuüben und vorzuspielen sind. Davon mache ich auch eine Aufnahme und wir senden sie uns gegenseitig zu. Ich kann so ganz gut Korrekturen und Hinweise geben und wir können auch so musikalische Konzepte ausarbeiten. Diese Form des Unterrichts möchte ich beibehalten, auch wenn es wieder Präsenzunterricht gibt.

Es gibt natürlich oft technische Schwierigkeiten, aber in diesen Zeiten ist es das wichtigste, die Studierenden zu motivieren. Es ist schwierig jeden Tag fünf bis sechs Stunden zu üben und die Freude daran zu behalten. Während ich Platz um mich habe und sogar einen Garten, sitzt mein spanischer Student mit seinen Eltern und Großeltern in einer Wohnung fest, darf gar nicht nach draußen und muss im Nebenzimmer üben - das sind alle nicht gewohnt.  Aber ich muss sagen, alle meine Studenten sind wahnsinnig fleißig und kommen gut voran. Es ist eine schwierige Zeit, die wir aber positiv nutzen müssen - wenn wir sie nämlich nicht nutzen, dann ist es eine verlorene Zeit.

Wir beschäftigen uns auch mit dem Kammermusikprojekt meines Assistenten Raphael Mentzen, in dem wir mitspielen. Sobald es wieder möglich ist Konzerte zu spielen, werden wir es aufführen. Außerdem erscheint in diesem Monat eine neue CD von mir beim Verlag Deutsche Grammophon mit Werken der Kammermusik u.a. von Shostakovich.

 

Wenn Sie auf ihren eigenen Unterricht blicken, was würden Sie genauso und was anders machen?

Natürlich habe ich viele positive Erinnerungen, denn ich habe sehr gute Lehrer gehabt, etwa György Geiger, der mir wahnsinnig geholfen hat. Bei ihm habe ich diese Hingabe zur Trompete, den Fleiß und auch seine Professionalität sehr geschätzt. Dann hatte ich Unterricht bei Hans Gansch, von dem ich sehr viel in stilistisch, aber genauso didaktischer Hinsicht gelernt habe. Wenn ich ihn etwas nachmachen könnte, dann wäre ich froh. Wir haben eine enge Freundschaft und wir haben sehr viel Kammermusik gespielt, bei der ich viel gelernt habe.

Bei dem ungarischen Komponisten György Kurtág hatte ich ebenfalls Unterricht, der mir in der Weise wie Kurtág Musik erklärt und gestaltet, viele Fenster geöffnet hat. Ich habe gelernt, dass man jeden Tag noch schöner spielen kann. Das ist der Reiz der Musik, das ist unsere Motivation. Diese drei Lehrer waren mir wahnsinnig wichtig.

Danach kam meine Orchesterlaufbahn, in der ich lange Zeit fest in vier deutschen Orchestern gespielt habe, zuletzt 15 Jahre bei den Berliner Philharmonikern. Dort hatte ich wunderbare Kollegen hatte und habe jeden Tag dazu gelernt.

 

Gerade im Studium kennt man Lampenfieber vor Auftritten. Haben Sie noch Lampenfieber und was kann man tun?

Man sagt, wenn man nicht aufgeregt ist, dann ist es einem wurscht – also egal, was passiert. Deshalb finde ich Aufregung nicht schlecht. Man muss es natürlich aushalten können. Wenn man Aufregung hasst, dann ist das ein Problem. Ich glaube, jeder Musiker ist aufgeregt. Man kann aber auch das positiv denken: wenn man aufgeregt ist, dann fokussiert man viel bewusster. Man kann über eine bewusste Atemkontrolle lernen den Körper in einer Fassung zu halten, in der die Aufregung auszuhalten ist. Und letztlich ist es die Musik, die uns retten kann. Ich bin immer ruhiger, wenn ich das Stück technisch sehr gut geübt habe. Das bringt viel. Natürlich gibt es live Situationen oder Aufnahmen, in denen der Druck groß ist. Aber ganz normales Lampenfieber kann man gut im Griff haben, wenn man das Stück sehr gut lernt - musikalisch und technisch. Und wenn man auf der Bühne steht, dann taucht man in die Musik ein und blendet aus, wer um einen herum ist. Manchmal geht das gut, manchmal nicht so gut und kein Tag ist wie der andere, daher gibt es da keine 100%-ige Lösung. Ich glaube, alle haben Lampenfieber - das gehört dazu.

 

Seit 2018 sind Sie nun Professor für Trompete an der UdK Berlin – unterrichten Sie gern?

Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich nach 28 Orchesterjahren nun die Professur an der UdK habe - das ist ein super Abschnitt, denn ich habe immer gern unterrichtet. Dass ich den Studenten etwas weitergeben kann, was ich in meiner eigenen Laufbahn gelernt habe, das freut mich sehr.  Neben den Masterkursen habe ich schon in der Karajan-Akademie unterrichtet, in der Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BR) und an der Hochschule für Musik Hanns Eisler. Das hätte ich alles nicht gemacht, wenn ich es nicht gern gemacht hätte. Trotz der Internet-Misere, also den aktuellen Schwierigkeiten auf digitale Lehre umzustellen, unterrichte ich sehr gern.

 

Das Interview wurde am 30. April 2020 von Marianne Karthäuser aufgezeichnet.

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