SODA Lecture Series
Diachronic Deadbots – Lesung
Poetry Reading & Lecture mit Christian Filips
Der tragische Transport von Gedichten, ein Deadbot vielleicht: eine Stimme aus dem Reich der Toten, zu Lebzeiten aufgenommen und dann virtuell gemacht. Gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen Gedichten und Bots, die nahe Verwandte oder auch historisch entfernte Dichter simulieren sollen, um die Trauer zu überwinden und eine Nähe zu simulieren, die es nicht mehr gibt? Das könnte das Versprechen der neuen Deadbots sein: Eine neue digitale Unsterblichkeit, als Konkurrenz zur Unsterblichkeit durch das Schaffen schöner Dinge. Diese Unsterblichkeit wird in Form von KI-Chatbots und digitalen Avataren simuliert, deren persönlicher Sprachcode auf dem sogenannten digitalen Fußabdruck des Verstorbenen basiert. Ein technikfeindlicher Humanoid meldet sich zu Wort und propagiert folgende Annahmen: Dem Code der KI fehlt es an raum-weltlicher Erfahrung durch die Zeit. Da ihr Programm aus Zahlencodes besteht und die Fähigkeit zu sprechen nur simuliert, hat sie keine Sprache, keinen Körper im eigentlichen Sinne, keine Trauer. Das verdammt sie zu einer schlechten Unendlichkeit. Als Machtinstrument folgt es den synchronen, metrisch kontrollierten Regeln einer zahlengeleiteten Macht, die von einer sprachgeleiteten durchbrochen werden müsste. Diese Lesung und Vorlesung sucht nach einem Ausweg aus den einfachen Binaritäten und fragt deshalb: Wie kommt man in die Wurmlöcher einer diachronen Dimension, die parallele Sprachuniversen jenseits starrer Begriffe wie Analogie und Virtualität verbindet?
Christian Filips, in Berlin lebender Dichter, arbeitet als Regisseur, Übersetzer und Kurator. Seine Inszenierungen, Veröffentlichungen und Lehrtätigkeit basieren auf Poesie als translinguale Praxis, wobei er sich auf sprachliche Leerstellen der Repräsentation und das Konzept eines chorischen Selbst konzentriert. Zu seinen Veröffentlichungen gehören Übersetzungen von James Baldwin, Logan February und Pier Pasolini. In der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wurden Bühnenarbeiten - oft mit Chören - gezeigt. Im Jahr 2023 kuratierte er „poetica 8“, ein Festival für Weltliteratur in Köln (mit Patti Smith, Kim de l'Horizon u.a.) und erhielt den Literaturpreis für Poesie als Übersetzung der Stadt Erlangen. Er lehrte international (Brown University, Universität Hildesheim, Mozarteum Salzburg).
Info
HZT PR Support
pr_support @hzt-berlin.de