Gedanken der Zirkel-Mitglieder

Gedanken der Zirkel-Mitglieder

„Viele Eindrücke haben in mir oft inhaltlich noch nach- und weitergearbeitet. Zum Beispiel die Begegnung mit Alva Noë.  Oder auch zu Beginn die Einzelvorstellungen aller Zirkelmitglieder, die ich alle sehr spannend fand. Niemand hat versucht etwas zu beschönigen und es ging nicht darum, sich gut darzustellen. Denn es war für alle klar, hier ist man außer Konkurrenz. Alle machen was in komplett anderen Bereichen. Das habe ich als entspannend und sehr befreiend empfunden. Und ich kann mir natürlich gut vorstellen wie einige von uns, die einfach erfolgreich sein müssen, sich ganz anders vor einem bestimmten Fach-Gremium vorstellen würden. Diese Offenheit in den Begegnungen fand ich sehr schön und hat mich sehr bewegt.“ (Ulrike Sowodniok)

„Mir ist immer mal wieder während unser Treffen aufgefallen, wie unterschiedliche Sprachkulturen die einzelnen Disziplinen haben. Und wie entscheidend bzw. wichtig insgesamt Sprache bzw. Artikulation ist. Das fand ich auch in der Diskussion im Anschluss an das Gespräch zwischen Gesa Ziemer und Christina Landbrecht einen entscheidenden Punkt: warum fällt es vielen Künstler*innen so schwer über das eigene Arbeiten zu sprechen? Und warum gibt es immer noch so viele institutionelle Zusammenhänge, in denen Sprache = Verschriftlichung bedeutet?“ (Jenny Fuhr)

„Meine Lernkurve verlief sehr steil, denn bezüglich meiner ersten Annahme, dass körperliche Aspekte in meinem Arbeitsfeld keine Rolle spielen, wurde ich von Barbara instantan eines Besseren belehrt:  Barbara meinte, dass natürlich meine Apparaturen für den Benutzer(-Körper) konzipiert wurden und daher natürlich zahlreiche körperliche Aspekte aufweisen.“ (Oliver Rader)

„Die Frage des Einstein-Zirkels zielt mit dem Begriff ‚Body‘ ins  Zentrum meiner Forschung, die sich seit mehreren Jahren mit dem Körper als wichtigstem Ausdrucksmittel der Szenischen Künste beschäftigt. Dabei – und das ist eine erste wichtige Bestätigung der Zirkelarbeit gewesen – ist gar nicht klar, was wir mit Körper eigentlich meinen. Zellverbände, Kommunikationsnetzwerke, Materialisierten Geist, Sinnlichkeit/Sinnhaftigkeit, den Sitz von Affekten...? Je nach Disziplin verlaufen die Antworten anders. (…)
Im Rückblick scheint mir dabei vor allem der abwesende Körper ein geradezu insistierendes Motiv der Diskussionen gewesen zu sein. Ob als dematerialisiertes Objekt in der wissenschaftlichen Forschung (Zahlen, Daten als dessen Spuren) oder als flüchtiger Körper in Tanz und Theater: immer entzieht sich der Körper oder wird im Versuch ein ‚Wissensobjekt‘ zu sein, reduziert. Von den Darstellenden Künsten kann man lernen, dass gerade die Ephemeralität und Absenz des Körpers auf der Bühne (seine Bewegung, Liveness, Ereignishaftigkeit) die wichtige Erfahrung unserer eigenen Sterblichkeit bereithält. Das ist nur auf den ersten Blick kein Schreckensmodus, im Grunde jedoch eine kostbare und uns alle verbindende Erfahrung.“ (Barbara Gronau)

 „  ‚ ... unsere Körper sind Lesewerkzeuge‘. Diese Aussage von Nik aus dem Zirkel-Treffen im Juni hat bei mir einen dieser Aha-Momente ausgelöst. Mir wurde dadurch auf eine ganz klare und greifbare Weise verständlich, was künstlerisches Forschen meint und welche Rolle der eigene Körper als Resonanzobjekt darin spielt. Wenn der Körper das Lesewerkzeug – und auch das Schreibwerkzeug - ist, dann ist alles damit Gelesene und Geschrieben gültig. Der darin sichtbare Respekt vor den Sinnen, Eindrücken und Bewegungen des Individuums hat auf mich sehr beflügelnd gewirkt, da er die Bedeutung eines objektiven Richtig oder Falsch für die eigene Arbeit aufhebt und sich dadurch auf anregende Weise von meiner Disziplin, der Informatik abhebt, in der möglichst alles auf Korrektheit getestet und abgesichert werden sollte. Und als zweiter Punkt: es gibt in der Informatik eine sogenannte Turingmaschine, die auf Alan Turing zurückgeht.  (…)  Man sagt, dass jedes Problem berechenbar ist im mathematischen Sinne, wenn es eine Turingmaschine gibt, die das Problem lösen kann, in dem der Kopf sich auf dem Band hin und her bewegt und immer Zeichen auf dieses Band draufschreibt. Das fand ich lustig, dass man sagt: in der Informatik gibt es auch das Schreiben und das Lesen, aber da ist es eine Maschine und man sagt, das Problem ist lösbar, wenn es die Maschine lösen kann. Und hier habe ich die Analogie, es gibt zwar das Schreiben und das Lesen, aber es ist der Mensch. Und wenn es der Mensch schreiben und lesen kann, dann ist es gültig.“ (Habakuk Israel)

„Der Begriff künstlerischer Forschung war für mich neu. Obwohl ich die Definition in gewissen Förderrichtlinien nicht teilen würde, weil ich nicht glaube, dass es so ein enormes quasi dunkles Universum gibt, das der herkömmlichen Forschung nicht zugänglich wäre, habe ich doch verstanden, welche Einschränkung beispielsweise die schriftliche Fixierung in der Musik bedeuten kann. Das ist mir durch Jennys und Ulrikes Berichte sehr bewusst geworden.“ (Oliver Rader)

„ (...) Dies wirft neben (z.B. körpertheoretischen) eine weitere Reihe von (z.B. raumsoziologischen, designwissenschaftlichen) Fragen auf, die im Zuge eines Folgeprojektes formuliert und debattiert werden sollten. Welchen Einfluss hat der soziale Raum auf die Gestaltung von und durch digitale Technologien? Welche Theorien des sozialen Raumes bieten Anknüpfungspunkte für Digitalisierungen? Inwieweit wird der soziale Raum durch Digitalisierungen verändert? Welchen Einfluss hat eine (Um-) Gestaltung von „verkörperter“ digitaler Information auf das Verständnis des leiblichen, lebendigen Körpers sowie daran geknüpfte Rückschlüsse auf Emotion? Und somit auch: Inwiefern ist das körperlich-emotionale Erleben der physisch-sozialen Welt an die dinghafte Welt gekoppelt? Im Rahmen des Einsteinzirkels bod-y-motion konnten hierzu bereits aussichtsreiche Betrachtungsweisen und Untersuchungsansätze formuliert werden, nicht zuletzt in Bezug darauf, wie eine Auseinandersetzung mit und durch digitale Technologien gestaltet werden kann. Ein Beispiel hierfür wäre die interdisziplinär organisierte Beschäftigung mit so genannten Tangible User Interfaces (TUIs), bei denen es darum geht, digitale Information (haptisch und dadurch auch auf eine andere Weise kognitiv) erfahrbar zu machen. Denn digitale Technologien verändern durch ihre Entfaltung in realen Umgebungen nicht nur Räume, sie bilden auch neue – nicht zuletzt (emotionale) Erfahrungsräume.“ (Tom Bieling)

„Der ehemalige Chef vom Max-Delbrück-Centrum zum Beispiel, Detlev Ganten, hat bei uns auf dem Campus auch künstlerische Projekte ermöglicht und das ist dann direkt sinnlich erfahrbar. Es gab zum Beispiel das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung. Mit dem dort durchgeführten T4-Programm (systematischer Mord der Nazis an behinderten Menschen) setzen sich bildende Künstler*innen auseinander. Ihre Werke machen eine andere ethische Dimension unserer Arbeit in der Medizin sinnlich erfahrbar und wir erinnern uns jeden Tag daran. (Thomas Kammertöns)

„Ich habe noch nie mit Leuten zusammengearbeitet, die Kunst machen, hatte überhaupt keine Vorstellung wie das gehen könnte. Ich hatte gedacht, dass man da total emotional rangeht. Wenn ich dann bemerke, welche Vorurteile und Vorstellungen ich ablegen kann, dann empfinde ich dies als bereichernd, weil ich etwas Neues dazu gelernt habe.“ (Oliver Rader)

„Die Diskussionen der Vorträge und Teilnehmerbeiträge berührten aus meiner Sicht viele weitere Aspekte, die weiterer Betrachtung würdig wären, wie z.B. die Erweiterung des Körpers durch andere, durch Gemeinschaften und durch Maschinen, Körper als objektivierbare Maschine (Emotionen = Chemie), kulturelle Prägungen und Körperwahrnehmung, Körperbewusstsein und Erkenntnisgewinn.“ (Kerstin Berthold)

„Also was ich sehr spannend finde, weil es für mich wie eine hochkomplexe Choreographie aber auch Improvisation ist: es gibt ab und zu Momente, wo du merkst, dass die Kommunikation am Tisch - und zwar die nonverbale Kommunikation -  über Ausrichtung des Körpers und Blickkontakt total essenziell wird. Da werden Sachen sozusagen neben oder unter dem Sprachlichen verhandelt. Da wird sich über einen Blickkontakt geeinigt oder es wird sich eine Rückversicherung geholt. Du bist manchmal Teil davon, manchmal beobachtest du und denkst: Oh, was passiert hier? Das finde ich hoch interessant. Weil ich glaube, das hat niemand von uns gelernt, aber wir machen es alle.“ (Nik Haffner)

„Wenn ich meinen Beitrag zur verkörperten Stimme in den Kontext des Zirkels hineingebe, spielen kinästhetisch-auditive Präsenz, Orientierung, Reziprozität, innere Körperbewegungen als verkörperte Emotionen etc. eine wichtige Rolle. Diese Qualitäten hatten an dem Tag, als wir den virtuellen Körper in Medienkunst- und design besprachen, plötzlich keinen Raum mehr. Wir hielten uns in einem zukünftigen offenen Körperkonzept auf, in dem die Stimme maximal als appellativer Charakter vorkommen kann. Dennoch wäre ohne unsere Stimmen und Körper ein Austausch, wie wir ihn geführt haben mit aller Leidenschaftlichkeit und Frustration, undenkbar. Am glücklichsten waren für mich die Momente, in denen wir uns die Abwesenheit von Körper und Emotionen, die Schwierigkeit sie zu fassen und zu benennen, in allen anwesenden Wissenschaften und Künsten eingestanden. Genau an diesem Punkt möchte ich weiterarbeiten, er erscheint mir gerade erst errungen und sehr ergiebig.“ (Ulrike Sowodniok)

„ (...) Denn so hatte ich auch Gesa Ziemer verstanden, dass sie meinte: im Moment sind wir noch in der Phase, in der es diese Übersetzung braucht. Wenn ich ein Kunstwerk unter dem Gesichtspunkt des Wissens betrachte, hilft es mir, dass jemand darüber schreibt und ich es dann lesen kann. Gesa Ziemer sagte, Ziel wäre, dass wir über diesen jetzigen Übersetzungs-Schritt irgendwann dahin kommen, dass wir den Text überspringen können. Denn dann könnte ich das Wissen aus der künstlerischen Arbeit direkt lesen, auch ohne Übersetzung. Das fand ich als eine Art Vision spannend, weil wir sicher momentan noch sehr sprach- und textbehaftet sind wenn es um Wissen geht. Wie wäre es, wenn es uns gelänge, Wissen oder Erkenntnis über viele Kanäle empfangen und lesen zu können? Das tun wir glaube ich auch schon, aber das fließt oft eher unbewusst durch uns durch. Es ist einem oft nicht bewusst, dass dieses aus Beobachtung, Erfahrung und Wahrnehmung gewonnene Wissen genauso wertvoll ist, wie wenn ich einen spannenden Artikel lese über ein Thema.“ (Nik Haffner)

„Ich glaube, ich wäre gerne noch in die tatsächliche Praxis der anderen Zirkel-Mitglieder eingetaucht; hätte mir sehr gut vorstellen können zu singen oder zu tanzen, alle etwas programmieren zu lassen oder gemeinsam eine Analyse einer Probe zu machen.  Damit könnten wir quasi noch mehr von den und über die anderen Seiten lernen. Auch im Sinne der Gefühlentwicklung für die Tätigkeiten, die wir alle durchführen und über die wir bisher nur gesprochen haben; und darüber könnten wir wieder zurück gehen in die Theorie und beides miteinander praktizieren. Oder wir könnten dann vielleicht sogar an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten, wenn wir Zeit haben.“ (Habakuk Israel)

„Wie kommt das Glücksgefühl zustande, wenn man etwas verstanden hat? Hier war der Vortrag von Martin Hirsch sehr erhellend, da offenbar mit Bildgebung bereits erwiesen ist, dass kein Einprägen ohne Übergang des ‚Gedankens‘ von der linken in die rechte Gehirnhälfte möglich ist. Also Emotionen nötig sind. Von unschätzbarer Bedeutung für die Pädagogik!“ (Oliver Rader)

„Ich reagiere da sicher ein bisschen streng auf die Begriffe. Natürlich geht es ganz stark um innere Wahrnehmung und darum, ein inneres Körperbild zu entwerfen. Nur da die Stimme ja immer in einem Dazwischen ist - weder innen noch außen - würde ich da strenggenommen etwas reduzieren, wenn ich sagen würde, das ist mein inneres Bild. Weil ja auch die innere Stimme dadurch entstanden ist, dass wir in einer sprechenden Welt leben und ganz früh versprachlicht worden sind. Das wäre dann so wie der Streit mit der Henne und dem Ei, mit diesem Innen und Außen. Deshalb ist es bei der Stimme besser, das weg zu lassen und zu sagen, wir müssen jetzt Mut haben für den Zwischenraum.  (…)  Es ist eigentlich viel schöner, wenn man anfängt diese verschiedenen Zwischenräume wirklich zu beschreiben. In ihrer Qualität, in ihrer unter anderem sensorischen, ihrer graphischen Aufladung. Das Dazwischen ist hierfür viel spannender und ist eine ganz andere Art zu denken. Es ist ganz schwer, wenn man mit Stimme arbeitet mit einem so polaren Denken zu arbeiten wie dem Innen und dem Außen.“ (Ulrike Sowodniok)

„Ich glaube vielen Personen, egal ob sie unterrichten, ob sie eine Lecture halten oder ob sie am Tisch ein Gespräch führen, sind sich nicht immer bewusst, dass sie auch performen. Im Englischen sagt man das ja auch: Your lecture yesterday – great performance. Das würde man im Deutschen so nicht sagen. Aber das zu beobachten finde ich sehr spannend. Was für eine körperliche Haltung nimmt eine Person in einem Vortrag oder Gespräch ein? Aber auch was für eine sprachliche Haltung wählt die Person, zum Beispiel gegenüber einem Publikum? Gesa Ziemer fand ich hier ein spannendes Beispiel: sie kommt als bekannte Wissenschaftlerin und als Vizepräsidentin der HafenCity Universität, und obwohl wir in dem öffentlichen Gesprächsformat nicht in Englisch gesprochen haben, sondern auf Deutsch, hatte ich das Gefühl, sie war mit ihrem ganzen Körper, mit ihrer Stimme ganz nah am Publikum - quasi per Du mit allen. Diese Nähe und Unkompliziertheit, das macht auch etwas mit den Inhalten, die sie vermittelt. Auch die sind auf einmal näher.“ (Nik Haffner)

„Ich erzähle von diesem Kontext des Einstein Zirkels nicht allen in meinem Arbeitsumfeld, sondern eher nur denjenigen, bei denen ich weiß, dass sie ein wenig offener sind. Aber anderen gegenüber sage ich: ‚Ich habe jetzt was in der Stadt zu tun. ‘ Die würden sonst denken: Mach nicht so einen schöngeistigen Kram! Fokussier Dich lieber auf Anträge und Publikationen.’ Dass ich Zeit investiere in diesen Zirkel, in etwas, was mich einfach nur interessiert und was ich spannend finde - das können einige vielleicht nicht nachvollziehen.“ (Thomas Kammertöns)
„ Ist das dann fast schon Luxus?“ (Jenny Fuhr)
„ Ja, für mich ist das Luxus. Oder empfindest du das nicht auch als Luxus hierhin zu kommen und aus deinem Berufsalltag rauszukommen?“ (Thomas Kammertöns)

„Einen Moment, den ich gut erinnere war weniger ein inhaltlicher, sondern eher ein atmosphärischer Moment. Ich arbeite jetzt in einem Studiengang, wo es um angewandte  Informatik geht. Die Arbeitsweise empfinde ich da als rational geprägt. Ich weiß, dass ich mindestens einmal in einem dieser Kreise saß und mich hier her gewünscht habe, weil ich es sehr schätze mit euch zu sprechen - auch in der Art des Umgangs und in dem gemeinsamen Erkenntnis Ziehen.“ (Habakuk Israel)