FNP65
FNP65
Auf der Suche nach der verlorenen Stadt
WS 25/26 - Seminar
Prof. Dr. Matthias Noell
Donnerstag, 13:30-15:00, A 310 sowie Exkursionstermine nach Bekanntgabe
Beginn: 23.10.2024
BA Module 12/14 = 3ects; MA Module 3/5 = 5ects
Anmeldung mit kurzem Motivationsschreiben per Mail an a.krude [at] udk-berlin.de
Der Flächennutzungsplan von 1965 ist, sechzig Jahre nach seiner Verabschiedung, zu ein Mythos geworden. Allen bekannt, nie wirklich näher untersucht, seit Jahrzehnten bis zur Unkenntlichkeit überschrieben mit anderen Leitlinien und Kurskorrekturen der Stadtplanung. Aber noch immer dominiert er unseren Stadtraum in nicht unerheblichem Maß.
Der FNP65 war bis zu seiner vollständigen Überarbeitung 1984 und einer weiteren Neufassung 1994 das maßgebende Planungsinstrument in West-Berlin – und Dokument einer Ausrichtung der Stadt auf den Automobilverkehr. Und obwohl der Ostteil der Stadt als Hauptstadt der DDR als weißer Fleck auf der Karte erscheint, wurden die Verkehrsachsen für ein wiedervereintes Berlin geplant. 1969 kam auf der Ostseite der Mauer der Generalbebauungsplan als Pendant der West-Planung hinzu, die diesbezüglichen Probleme der Zusammenführung der Stadt sind bekannt.
Bis heute leben wir mit den Problemen, vor allem aber stadträumlichen und architektonischen Hinterlassenschaften dieser Festlegungen von 1965. Auch die beiden Planwerke Berlins nach der Wiedervereinigung konnten diese Situation nicht verbessern. Im Gegenteil, die Widersprüche wurden noch größer, da man nun die Stadt des 19. Jahrhunderts als zu annähernd rekonstruierendes Idealbild der Stadt vor Augen hatte. Man plante gegen den Bestand, nicht mit ihm.
Zu den Planungen von 1965 gehörten so unterschiedliche Aspekte wie die Auflockerung der Bebauung im Zentrum, die Tangenten- und Autobahnplanung, das Cityband und das Kulturband, das Kulturforum, der Ausbau des U-Bahn-Netzes, aber auch die Anlage von Großwohnsiedlungen an den Rändern West-Berlins. Das Ergebnis dieser äußerst kleinteiligen Arbeit und Festschreibung – angeblich wurden 139 Teilpläne in den Berliner Bezirken ausgearbeitet – war desaströs: Für einen Großteil der Bauprojekte mussten Ausnahmegenehmigungen erteilt werden.
Wir werden uns in diesem Semester mit dem historischen Plan beschäftigen, seinen Vorstufen seit 1946 und seinen Auswirkungen bis heute. Das Seminar ist aufgeteilt in eine Recherchephase und eine Bearbeitungs- und Kartierungsphase, unterbrochen durch Exkursionen an die Orte des Geschehens, die schönen Orte der Autotunnels, der Verkehrskreuzungen, der Durchbrüche durch historische Bausubstanz sowie die entstandenen Restflächen.
Vielleicht hatte Lucius Burckhardt recht, wenn er sagte, die Planer folgten einer falschen Entscheidungstheorie: "Sie suchen die Vollkommenheit und schaffen Flickwerk – warum haben sie keine Theorie des Flickwerks?" Wir kümmern uns um Berlin als Flickwerk, als Aneinanderreihung heterogener, in sich widersprüchlicher Orte und Gegebenheiten – und um ihr Potenzial für heute, für eine Stadt in der Klimakrise.