Tod und Leben eines Berliner Hochhauses. An der Urania 2-12
Tod und Leben eines Berliner Hochhauses.
An der Urania 2-12
WS 25/26 - Seminar
Lilith Unverzagt
Freitag, 11:15-12:45 + abweichende Termine nach Bekanntgabe, Raum 336
Start: 17.10.2025
BA Module 12/14 = 3ects; MA Module 03/05 = 5ects
Anmeldung mit kurzem Motivationsschreiben per Mail an t.harle [at] udk-berlin.de
// in short //
"Old ideas can sometimes use new buildings. New ideas must use old buildings." (J. Jacobs, The Life and Death of great American Cities, 1961)
Während die Forderungen nach einer grundlegenden Transformation im Bauwesen, nach Erhalt, Weiterentwicklung und Umbau bereits einen zentralen Platz im Fachdiskurs einnehmen, (re-)agieren Wirtschaft und Politik denkbar träge. Auch in Berlin stehen die ambitionierten Ziele, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, in krassem Kontrast zur real durchgeführten Abrisspraxis. Das Gebäude, das einst an der Urania 2-12 stand, ist eines von vielen Abrissbeispielen der letzten Jahre und wird im Seminar einerseits exemplarisch für Berlin und seine städtebaulichen Prozesse stehend und andererseits objektspezifisch als herausragender Entwurf der Berliner Nachkriegszeit genauer betrachtet.
// detailed //
"Bauen müssen, ist aus der Unschuld fallen ist wie Rotkäpchen und der Wolf oder König Lear und seine Töchter, ist Tatsache. Ist Sache der Tat und der Mittäter. Ist verratener Traum, versüsst durch gestaltete Hoffnung.
Bauen ist Abschied nehmen von "Du bist Orplid mein Land".
Bauen ist wie die Mär von einem, der auszog das Fürchten zu lernen.
Aber Bauen ist mehr noch, wie Heidegger sagt:
Bauen ist bleiben." (W. Düttmann, Der Architekt: Aus der Unschuld fallen, undatiert)
Das Hochhaus an der Urania 2-12 wurde 1966/67 innerhalb von nur 18 Monaten als Stahlbeton-Skelettbau errichtet und den Senatsverwaltungen für Arbeit und Sozialwesen als gemeinsames Bürogebäude übergeben. Anders als von Werner Düttmann ersonnen, ist es jedoch nicht geblieben, sondern nach einer erstaunlich kurzen Existenz seit 2008 sukzessive und schließlich unter Protest Anfang 2024 maschinell rückgebaut worden. Der Gebäudekomplex bestand nur weniger als 50 Jahre und stellt damit für Berlin keinen Einzelfall dar.
Das Seminar widmet sich einer umfassenden Aufarbeitung der Lebensgeschichte dieses Berliner Bauwerks und seinem städtebaulichen Kontext. Zum einen wird die Entwicklung der Berliner Stadtplanung und Architektur auf Basis archivgestützter Forschung untersucht. Zum anderen soll sichtbar gemacht werden, wie politische Entscheidungsprozesse in Berlin ablaufen – Prozesse, die sich unsere Gesellschaft nicht zuletzt aus ökologischer Sicht nicht mehr leisten darf.
Dabei werden verschiedene Aspekte berücksichtigt: Einerseits soll an das Gebäude als Objekt und Zeugnis seiner Entstehungszeit erinnert werden andererseits an die großmaßstäblich gedachten städtebaulichen Entwicklungen Berlins seit den 60er Jahren (FNP 50 bzw. 65, Planwerk Innenstadt und Innere Stadt) und die Abläufe und Diskussionen rund um eine behutsame und klimaneutrale Stadterneuerung, die bis heute anhalten.
Nicht zuletzt spielen Aktivismus und Protest der Zivilbevölkerung, sowohl als Mittel der Meinungsäußerung und politischer Einflussnahme, als auch in ihrer Forderung nach Transparenz, bei der Untersuchung dieses markanten Stadtraums an der Urania/Lietzenburger Straße eine wesentliche Rolle.