18/04/24 Start Master SS 24

MÄNGELFREI

Entwurf MA/BA 3. Studienjahr, SS 2024

Auch dieses Semester möchten wir den Spagat fortsetzen: baukünstlerische Freiheiten auskosten und gleichzeitig die „Realität“ des (Um)-Bauens voller Zwänge, Widrigkeiten, Verpflichtungen und Konflikten kennen und schätzen lernen. Im vergangenen Semester waren es vermeintlich dröge Kostenberechnungen, die zum Motor für das Gestalten wurden. Trockene Zahlen wurden zu Formen, Farben sind zu Excel-Positionen erstarrt. Das hat Spaß gemacht. Irgendwie verwandt mit den Kostenberechnungen sind Regelwerke: auch sie lösen zunächst ein latentes Gefühl von Unwohlsein aus, weil sie uns mehr oder weniger unverblümt sagen, was wir zu tun und zu lassen haben. Dieses Unbehagen wollen wir überwinden, indem wir uns den Regelwerken stellen: sie bis ins letzte Detail verstehen, streber*innenhaft anwenden, aber auch übermütig hinterfragen, auslegen und interpretieren. Als Elefant im Raum wird das gesamte Semester der Begriff des „Mangels“ stehen. Denn als Architekt*innen sind wir (fast immer) vertraglich verpflichtet, ein Werk frei von Mängeln zu planen. Ganz grob gesagt ist ein Werk unter anderem dann mängelfrei, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, welche „dem Üblichen“ entspricht, indem es etwa die „Anerkannten Regeln der Technik“ befolgt, zu denen auch die DIN-Normen gehören. 

Aber dann gibt es so viel großartige Architektur, die so gar nicht „dem Üblichen“ entspricht. Entstanden unter Bedingungen, die ebenso unkonventionell und damit auch nicht „allgemein anerkannt“ sind. Man denke nur an die Häuser von Marcel Raymaekers, mit Portiken aus abgerissenen Kirchen oder mit Lichtkuppeln aus ausgemusterten Kampfjets. Ganze Häuser aus Spolien, von den Baufamilien selbst gebaut. Wie können wir eine solche Architektur in unserer Welt einordnen, ermöglichen und vielleicht sogar „üblich“ werden lassen? 

Das wollen wir ein Semester lang gestaltend erforschen. Jede Gruppe entwirf eine Dachaufstockung für ein Haus in Berlin und versucht dort oben ein „Kondensat“ der baukünstlerischen Ideen experimenteller Referenzgebäude zu realisieren. Herausgefordert wird das Vorhaben, weil alle Eingriffe Stellung beziehen müssen: risikoarm angepasst an Normen (und trotzdem schön), herausfordernd interpretierend oder gar waghalsig aus dem Fenster gelehnt (und am Ende vielleicht gar nicht so überzeugend?). Entwickelt werden die Arbeiten anhand von großen 1:1-Modellen, Fotografien und detaillierten Konstruktionszeichnungen. Wir freuen uns wie immer auf Studierende mit Freude am Entwerfen, handwerklichen Bauen und keiner Scheu vor trockener Alltagsmaterie. 

Lehrende: Anne Femmer, Florian Summa, Alexander Barina
Start: Donerstag, 18.04.2024, 13:00 - 15:30 Uhr, Raum 306