Die flexible Stadt (praktisches Seminar)

Bill Dietz / Janina Janke
Die flexible Stadt
Praktisches Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Freitag/Samstag, 29.4., 14-18 Uhr; 30.4., 10-14 Uhr, Hardenbergstr. 33, Raum 004/110;
Freitag-Sonntag, 6.5., 14-19 Uhr; 7./8.5.2016, jeweils 10-18:30 Uhr, Hardenbergstr. 33, Raum 110
 
Berlin ist eine Stadt der realisierten räumlichen Utopien. Gesellschaftliche und politische Konzepte verschiedener Epochen stehen in Stein und Beton gebaut nebeneinander und verweisen auf heterogene Lebenskonzepte. Doch die alltägliche Nutzung der Gebäude durch ihre Bewohner*innen spiegelt meist die Kollision der Visionen von Architekt*innen und Stadtplaner*innen mit der Vielschichtigkeit und Unwägbarkeit von Realität. Heute sind wir nicht nur aufgrund von globaler Homogenisierung und Gentrifizierung sowie anhaltender Flüchtlingsströme weiterhin ununterbrochen auf der Suche nach einem funktionierenden urbanen Miteinander. Wie schaffen wir eine Balance zwischen den uns umgebenden festen Strukturen und den sich ständig verändernden menschlichen Bedürfnissen?

Angelehnt an den von Richard Sennett geprägten Begriff des „flexiblen Menschen“ untersuchen wir in unserem Blockseminar, was spezifische Räume und Gebäude in Berlin, New York und anderen Metropolen über das Schicksal visionärer urbaner Lebenskonzepte im Zeitalter des Finanzkapitalismus erzählen können. Parallel betrachten wir künstlerische und wissenschaftliche Annäherungen an die Orte. Ob die Gegend um den Bahnhof Zoo oder den Times Square, Marzahn oder die Forest Houses der Bronx: Welche Strategien wurden von Künstler*innen und Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen entwickelt, um vorgefundene soziale Dynamiken von Räumen abzubilden oder zu beeinflussen? 

Basierend auf einer gemeinsamen Feldforschung erproben wir an ausgewählten Orten in Berlin musikalische und performative Wege, um materielle (gebaute) und immaterielle (soziale) Strukturen einer Stadt zu hinterfragen und sichtbar zu machen. Mit den kleinen künstlerischen Interventionen erfinden wir temporäre, flexible Strukturen eines gemeinschaftlichen Miteinanders und legen sie über das feste Gefüge der Stadt Berlin.  

Literatur:
Delany, Samuel R.: Times Square Red, Times Square Blue.
Cage, John: Variations III.
Hayden, Dolores: Grand Domestic Revolution.
Hoban, Stephen und Kivland, Kelly (Hrsg.): Thomas Hirschhorn. Gramsci Monument.
Sennett, Richard: Der flexible Mensch, Civitas.
Willats, Stephen: Artwork as Social Process.

Leistungsanforderung für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige und aktive Teilnahme.

Bill Dietz, Komponist, geboren 1983 in Bisbee, Arizona (USA), lebt und arbeitet seit 2003 in Berlin. Seit 2007 ist er der künstlerische Leiter des Ensemble Zwischentöne. Zurzeit leitet er, gemeinsam mit Marina Rosenfeld, das Music/Sound Department der Milton Avery Graduate School of the Arts at Bard College, Annandale-on-Hudson, NY/USA. In den letzten Jahren war Dietz’ Werk auf die Genealogie des Konzerts und die Performativität des Zuhörens fokussiert. Seine künstlerischen und theoretischen Arbeiten wurden u.a. präsentiert von Marseille-Provence 2013; MaerzMusik Berlin; the Elizabeth Foundation for the Arts, New York; dem internationalen Kongress für Musikforschung, Göttingen und im Katalog der 2014 Whitney Biennial. 2011 erhielt er ein Arbeitsstipendium am Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop/Deutschland und ein Aufenthaltsstipendium des Goethe-Instituts New York. Von 2011 bis 2012 war er Gastdozent an der Universität der Künste in Berlin. 2012 bis 2013 war er Stipendiat in der Akademie Schloss Solitude. 2013 Residenzstipendium für Marseille (gmem - centre national de la création musicale) sowie Artist-in-residence von Le Corbusiers Marseiller "Cité radieuse". 2015 erscheint eine Monographie zu seinem "Tutorial Diversions" bei Edition Solitude. Weitere Informationen unter http://tutorialdiversions.org.

Janina Janke ist forschende Künstlerin, Regisseurin und Bühnenbildnerin. Seit ihrer Mitbegründung der Künstlerformation OPER DYNAMO WEST im Jahr 2006 setzt sie sich mit markanten Gebäuden und Räumen in Berlin und anderen Städten auseinander. Sie konzipiert und realisiert Rauminterventionen, dokumentarische Theater- und künstlerische Forschungsprojekte auf der Schnittstelle von Kunst, Architektur und Wissenschaft, u.a. im Europa Center Berlin, in der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau Berlin, in der Digital Media City in Seoul/Südkorea, in Le Corbusiers Wohneinheiten in Berlin und Marseille sowie in den Hauptquartieren der Vereinten Nationen in Wien, Nairobi und New York. Janke verbindet eine langjährige Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Komponisten Bill Dietz und dem Musiker und transdisziplinären Künstler Maurice de Martin, mit dem sie das Kunstprojekt UNKNOWN SPACES begründete. Sie ist Teilnehmerin am FWF (Austrian Science Fund) geförderten Künstler*innen und Wissenschaftler*innen verbindenden Forschungsprojekt „andere räume - knowledge through art“ (2011-2015). Sie war u.a. artist in residence im quartier 21 - Museumsquartier Wien (2015), Stipendiatin der Cité Internationale des Arts in Paris (2014), artist in residence of the United Nations (2012), Stipendiatin der Deutschen Akademie Rom (Casa Baldi 2010), Stipendiatin der Pilotphase der Graduiertenschule für die Künste und die Wissenschaften an der Universität der Künste Berlin (2008/09). Weitere Informationen unter http://janinajanke.de.