Wanted: Helden, Antihelden, schmutzige Helden (Seminar)

Dr. Silvia Mazzini
Wanted: Helden, Antihelden, schmutzige Helden

Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Donnerstags, 15-18:30 Uhr, 7 Termine: 12.5., 19.5., 26.5., 9.6., 23.6., 30.6., 7.7.2016, Hardenbergstr. 33, Raum 102   

Dieses Seminar unterteilt sich in einen historisch-analytischen und in einen praktischen Teil. Im historischen Teil wird zunächst untersucht, wie die Romantik die klassische Figur des Helden neu interpretiert, indem sie ihn einerseits als ein außergewöhnliches, reales Individuum definiert (z. B. Napoleon), das große Taten und historische Aufgaben, zuweilen auch im Namen von bestimmten Idealen, realisiert hat (T. Carlyle). Andererseits werden in der Romantik auch literarische oder fiktive Figuren wie Goethes Faust als Helden stilisiert, indem sie als Symbole für die menschliche Unzufriedenheit und das Streben nach Grenzüberschreitung, unabhängig von seiner Realisierbarkeit, stehen.  
Im folgenden Schritt wird die Figur des Faust mit anderen emblematischen Heldenfiguren verglichen, die in der bildenden Kunst, in der Literatur, in Comics, Filmen und anderen Medien im Laufe der Zeit immer wieder neue Gestalt erhalten haben (J. Campbell). Wir treffen auf den Träumer und Utopisten Don Quichotte, auf Nietzsches Zarathustra, auf Foucaults Interpretation der Kyniker, auf Zorro, Spiderman und James Bond, auf den Revolutionär Che Guevara und schließlich Edward Snowden. Dabei soll diskutiert werden, welche Werte die jeweiligen Helden repräsentieren und verteidigen, und wie sie andererseits für pädagogische, politische und manchmal auch propagandistische Zwecke missbraucht werden können. Anschließend wird hinterfragt, ob und mit welchen Konnotationen der Begriff des Helden für Künstler*innen, Politiker*innen und Sportler*innen heute zu den Mythen des Alltagslebens (R. Barthes) gehört. Wie werden moderne Heldenmythen in den heutigen Massenmedien inszeniert?
Mit Hilfe dieser Vorarbeiten (de-)konstruieren und gestalten die Teilnehmenden im praktischen Teil des Seminars die Figur des Helden in der heutigen Gesellschaft als Utopie oder Dystopie, als Desideratum, Trauma oder Gefahr. Sollen wir Voltaire paraphrasieren und behaupten, wo kein Held ist, muss man ihn erfinden? Wie oder wo könnte dieser Held agieren? Und was ist das für ein Held? Ein kollektiver, ein unsichtbarer, ein alltäglicher oder gar ein „schmutziger Held“ (A. Negri)? Was würde passieren, wenn Superhelden nach Berlin kommen? Vielleicht entstünde dann gar eine Sehnsucht nach Antihelden?  
Die Studierenden werden einzeln oder in Gruppenarbeit Projektskizzen entwickeln oder Essays verfassen, in denen die Figur des Helden in Bezug auf die heutige Gesellschaft thematisiert wird. Abhängig von den Interessen und den Anliegen der Teilnehmenden wird ein gemeinsames Projekt z.B. in Form eines Kurzfilms, einer Installation, einer Inszenierung oder einer Intervention im urbanen Raum realisiert.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: regelmäßige Teilnahme, Projektskizze oder Kurzessay.

Dr. Silvia Mazzini schloss nach ihrem Studium der Philosophie und Theaterwissenschaften in Mailand ihre Promotion in Ästhetik an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Neben ihrer Monographie „Für eine mannigfaltige, mögliche Welt. Kunst und Politik bei Ernst Bloch und Gianni Vattimo“ (2010) veröffentlichte sie zahlreiche wissenschaftliche Artikel (u.a. zu Ästhetik, Kulturwissenschaft, politischer Philosophie, performativer Rhetorik und Dramaturgie). Seit 2003 ist sie als Autorin und Dramaturgin für unterschiedliche Theatergruppen tätig.