Semesterthema SoSe 2016: "Das Romantische"

Mit dem "Romantischen" wird eine Haltung zur Welt und damit ein Wirklichkeitsprogramm bezeichnet, das sich in unseren Köpfen als Orientierung, als Deutungs- und Handlungsmuster (spätestens) seit gut zweihundert Jahren eingenistet hat. Als spezifisch "moderne" Einstellung tritt sie in stets neuem Gewand auf, und zwar sowohl im alltäglichen Handeln als auch in künstlerischen Praktiken und Inhalten. Modern an dieser Haltung ist ihre Zerrissenheit und Ambivalenz, aber auch ihre Erneuerbarkeit.

Sehnsüchte, Emotionen, künstlerische Auseinandersetzungen, Phantasien und Phantastik, die nicht-naturwissenschaftliche Natur und die nicht-kalkulierte Liebe oder auch das Archaische und Magische als Form der Wiederverzauberung sind seit jeher romantische Themen. Ursprünglich als Gegenmodell zur Aufklärung die Nachtseiten und Kehrseiten einer Vernunft- und Verstandeskultur artikulierend, zeigen sich romantische Positionen sensibel für Entfremdungsprozesse, für die Differenz zwischen Zweckrationalität und Ideal. An solchen Entzweiungen krankt das romantische Leiden und ersinnt Abhilfen gegenüber dem Unbehagen an der Normalität. Es entstehen Träume vom ganzen Menschen, der sich mit sich und der Welt eins imaginiert - seit Rousseau oft als Programm der "Selbstverwirklichung" entworfen - und von der Romantisierung der Welt. Schiller hat diese Träume und Sehnsüchte als "sentimentalisch" im positiven Sinn etikettiert, man findet sie in allen Künsten und Gattungen, zunächst vor allem in Musik, Literatur und Malerei, heute format- und genreübergreifend. Und weil sich diese Sehnsüchte des Nicht-Zerrissenen, der Selbstverwirklichung, der Kongruenz von Ich- und Weltentwurf tendenziell nie erfüllen, können sie auch nie gestillt, sondern nur erneuert werden. Dass wissen die Künste so gut wie die Werbung. Deshalb ist das Romantische als Haltung im Grunde nicht zerstörbar, sondern nur verschiebbar - für kritische Positionen und als Wunschmaschine. Raffinierterweise liefert die Epoche der Romantik bis heute auch das Gegengift für eine Situation, in der das Wissen um die Nichterfüllung von Ganzheit, Selbstverwirklichung oder Utopien beherrschend ist. Dieses Gegengift ist das Programm und die Praxis der "romantischen Ironie", ein sehr selbstreflexives Programm, oder eine Ästhetik des Flüchtigen, Intensiven oder Fragmentarischen.

In den Veranstaltungen des Semesters wird sowohl der Herkunft dieses mentalen Programms namens "Das Romantische" als auch der Gegenwart des Romantischen nachgegangen. Was ist das Versprechen des Romantischen? Was seine Grenzen? Mit welchen anderen Haltungen wurde und wird es gekoppelt? Zu welchen anderen Positionen steht es in Opposition, denn das ändert sich in der Geschichte von der Romantik und des Romantischen zum Teil radikal. Die inhaltlichen Zugriffe auf das Thema des Romantischen in den Veranstaltungen sind facettenreich und berühren so unterschiedliche Phänomene, Umgangsweisen und Formate mit dem Romantischen wie: "Landschaft, Wildnis und Natur", "Digitale Romantik. Unheimlichkeit des Jetzt", "Politische Romantik", "Gesellschaftskritik aus dem Geiste der Romantik", "Der romantische Zettelkasten", "The World must be Romanticised", aber auch die "Performance nach Gemälden der Romantik", "Aleatorik - wie unromantisch?" und anderes mehr.