Das Insektensterben. Wissen, Wissenschaft, Politik

Dr. Peter Berz
Das Insektensterben. Wissen, Wissenschaft, Politik

Vorlesung, 2 SWS, 2 LP, offen
Donnerstags, 16-18 Uhr, wöchentlich ab 11.4.2019, TU, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Hauptgebäude, Rückgebäude 2. Stock, Raum H 1028

Der Rückzug der Insekten ist seit dem Herbst 2017 ein wirkmächtiger, öffentlicher Diskurs geworden. Die Vorlesung entwirft auf einer ersten Ebene eine Art Landkarte dieses Diskurses. Sie reicht von der Laienforschung über die Wissenschaft und ihre „Anhörung“, über Gutachten und Gegengutachten, Bundesdrucksachen und Anfragen bis zur Funktion medialer Echos und politischer Verlautbarungen.
Auf einer zweiten Ebene fragt die Vorlesung nach Verfahren und ihrer Epistemologie: Wie stellt man den Rückzug der Insekten fest? Welche Art von Beweis oder Evidenz wird hier aufgerufen? Welche Geräte mit welcher Geschichte, welche Orte, welche Wissensformen (Taxinomie oder Biomasse)? Welche Insektengruppen leiten die Forschung und welche speziellen Bedingungen für die Forschung setzen Wildbienen, Nachtfalter, „Schwebfliegen im Wahnbachtal“?
Eine dritte Ebene wird die Ursachen und den Begriff der „Ursache“ als solchen in den Blick nehmen. Die Ursachen sind so verzweigt wie die technische Seinsweise unserer Gegenwart als ganze: von Ernährung und Landwirtschaft bis zu Landschaft und Energietechnik im Zeichen der Energiewende, die aus Kulturlandschaften Energielandschaften macht. Dazu kommen die klassischen, einem bestimmten Stand der Landwirtschaft geschuldeten Ursachen: Unkraut- und Insektenvernichtung und ihr state of the art: genmanipulierte Pflanzen. Auf einer vierten, letzten Ebene steht auf dem Spiel, welche Strukturen die Insekten zur wenigstens teilweisen Rückkehr bewegen könnten. Können ausgeräumte Landschaft wieder eingeräumt werden? Gibt es eine Wohnungsbaupolitik für Insekten?

Literatur:
Bethge, Philip: Sommer der Stille, Der Spiegel 36/2017, S. 98-102.
Reichholf, Josef H.: Schmetterlinge. Warum sie verschwinden und was das für uns bedeutet, Hanser 2018.

Peter Berz ist Privatdozent für Biologische Medientheorie an der HU Berlin. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: nicht-darwinistische Biologien und die Frage nach physis und techne. Zahlreiche Arbeiten über Einzeller (wie Amöben oder Augentierchen), Vielzeller (wie Laubheuschrecken oder Stichlinge), Biologen (wie Empedokles von Akragas, Paul Kammerer, Jacques Monod).