Poetik und Technik des Raumes in bildender Kunst und Literatur

Prof. Dr. Stefan Neuner | Dr. Gerald Wildgruber
Poetik und Technik des Raumes in bildender Kunst und Literatur

Seminar, 2 SWS, 2 LP, 3 Plätze
Donnerstags, 12-14 Uhr, wöchentlich ab 18.4.2019
Das Seminar ist Teil einer Lehrkooperation mit der Technische Universität Berlin und findet im Hauptgebäude der TU statt: TU, Straße des 17. Juni 135, Rückgebäude 2. Stock, Raum H 2051
Um Anmeldung unter berlin.mariosaravanja@gmail.com wird gebeten.

Diese Veranstaltung, eine Kooperation des Fachbereichs Literaturwissenschaft der TU Berlin mit dem Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik der UdK Berlin, widmet sich dem Raumproblem in einer longue durée Betrachtung, die von der Antike bis ins 20. Jahrhundert reicht und dabei die maßgeblichen Innovationen und Brüche in der Behandlung dieser Frage genauer in den Blick nimmt. Die Thematik des Raumes setzt zur Identifikation und Erkenntnis solcher Umbrüche naturgemäß voraus, den Rahmen rein sprachlich-begrifflicher Evidenzbildung zu überschreiten und auf genuin visuelle Praktiken zu öffnen. So kommen zwar grundlegende begriffliche-philosophische Feststellungen der Raumerfahrung in Betracht (z.B. das Wesen der Grenze in ihrer Konfrontation des Unbegrenzten), aber solche Begriffe sind schon durchwegs operabel gedacht und öffnen sich auf Praktiken und Techniken des Raumes und ihren künstlerischen Reflexion, Durch- und Ausbildung.
Weisen der Raumgestaltung in Literatur und bildender Kunst machen den Kern der Veranstaltung aus, wobei erst die anhaltende Friktion zwischen Sprache und Bild maßgeblich zur Einsicht in die Problematik des Raumes beitragen wird. Es kommen epochemachende Erneuerungen bildlicher Darstellungstechniken zur Sprache, die weitreichende Auswirkungen in Literatur, Philosophie, Naturwissenschaft und Technik zeitigten sollten (wie die Zentralperspektive). Diskutiert werden sollen Konzeptionen, die aus dem technischen und juridischen bzw. sakralrechtlichen Bereich herrühren, aber wichtige Zugänge zur Raumauffassung in Literatur und Kunst eröffnen (wie die limitatio in der römischen Wahrsagekunst und Feldmessung). Schließlich wird sich der Kurs auch Begrifflichkeiten zuwenden, die in der Literaturwissenschaft geprägt wurden, aber Gegenstand fruchtbarer Übertragungen in die Kunstwissenschaft geworden sind (wie Michail Bachtins „Chronotopos“).
Die Veranstaltung setzt die Bereitschaft voraus, die ungewohntere Erarbeitung einer Problematik aus visuellen und dichterischen Praktiken im selben Maße wie aus theoretischen Positionen und Texten anzueignen und einzuüben.

Stefan Neuner Studium der Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an der Universität Wien. 1999-2005 Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für neuere und neueste Kunstgeschichte der Universität Wien. 2005-2010 Wissenschaftlicher Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. 2007-2011 daneben wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theorie der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. 2009-2010 daneben auch wissenschaftlicher Assistent (ERC-Assistent) am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Neuzeit am Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich. April-September 2009 sowie September-Dezember 2010 Postdoc-Stipendiat am Kunsthistorischen Institut in Florenz/Max-Planck-Institut. Seit 2010 assoziierter Wissenschaftler des deutschen Studienzentrums in Venedig. 2011-2017 Postdoc-Stipendiat bei eikones – NFS Bildkritik an der Universität Basel. Seit Oktober 2017 Professor für Kunstgeschichte, Kunstwissenschaft und Kunsttheorie an der Universität der Künste Berlin.

Gerald Wildgruber, Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft und Philosophie, Dissertation (LMU) zum Vergleich künstlerischer und spekulativer Formgebung bei Hölderlin und Hegel. – Akademische Positionen: LMU, Sorbonne Nouvelle, HU Berlin (Seminar für Ästhetik), Uni Basel (eikones/Bildkritik). Derzeit: Fachbereich Literaturwissenschaft der Technischen Universität Berlin (Qualifikationsstelle zur Habilitation). – Arbeitsschwerpunkte: Dichtersprache und formale Sprachen, Literatur und die Wissenschaften (Mathematik, Logik, Informatik), Poetologien von Lyrikern, Nachleben der Antike, vor allem hinsichtlich der Emergenz formaler Methoden; non-standard reasoning (Sprache und Schizophrenie); Bild und Sprache; Begriffe des Rhythmus und der Grenze, Fiktion und Methode; Konnex von Dichtung, Wissenschaft und Religion; Deutschland um 1800, Hölderlin und Hegel; Port Royal und Âge Classique in Frankreich; Descartes, Diderot, Flaubert, Mallarmé und Valéry; technische Kultur und Digitale Geisteswissenschaften.