Der Karneval der Demokratie

Christoph Neidhart
Der Karneval der Demokratie

Blockseminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 LP
Freitag-Sonntag, 10-18 Uhr, 12.-14.4.2019
Hardenbergstr. 33, Raum 110

Macht braucht Inszenierung. Nicht nur, um sich durchzusetzen, sondern auch, um sich ihrer selbst zu vergewissern. Die Lehrveranstaltung soll das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Politik, Kultur und unserem Alltag schärfen. Wie nutzen Macht und Gegenmacht die Elemente des Theaters, wann stolpert die Macht über die Kultur? Wir erarbeiten uns eine „ideale Demokratie“ und proben dann im Strategie- oder Rollenspiel den Umsturz. In einem zweiten Rollenspiel proben wir, wie eine neue Macht sich mit den Mitteln der Dramatik zu festigen sucht.
In der Demokratie hat das Volk die Macht, zumindest müsste es so sein. Demokratie ist kein Zuschauersport. Bei der Selbstinszenierung der Macht sollte das Volk die Hauptrolle spielen. Im Moment einer Demokratisierung, wenn die bisherigen Hierarchien umgestoßen werden, tut es das tatsächlich. Wie im Karneval – dort allerdings nur vorübergehend.
Der Karneval eines Machtwechsels kann zum Gründungsmythos einer neuen Gesellschaft werden. Und die Erinnerung macht alles schöner, größer, dramatischer, heldenhafter, als der Umsturz wirklich war.
Was ist Karneval? Und was Demokratie? Wie unterscheiden sich Demokratien? Was braucht eine Gesellschaft, damit sie zur Demokratie fähig ist? Was wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Russland unter „Theatertherapie“ verstanden? Und warum schaffen sich Demokratien selber ab – oder setzen zumindest ihre Existenz aufs Spiel?

Empfohlene Literatur & Film:
Neidhart, Christoph: Russian Carnival, The Smells, Sights and Sounds of Transition, Rowman & Littlefield
Eisenstein, Sergej, Oktober: https://www.youtube.com/watch?v=YVuf3T3k-W0

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Diskussionsfreude und regelmäßige und aktive Teilnahme, Bereitschaft zum und Freude am Strategie- oder Rollenspiel.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: politisch, kritisch
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, artikulieren

Christoph Neidhart ist der Tokio-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Er lebt seit 17 Jahren in Japan. Zuvor berichtete er acht Jahre als Korrespondent aus Russland und war vier Jahre Visiting Scholar am Russland-Institut der Harvard University. Außer in Moskau war er als Zeitzeuge beim Zusammenbruch des Kommunismus in Prag, Polen, im Baltikum und in der Ukraine dabei. In Basel geboren, hat er erst dort, dann in Fribourg und Zürich einige Semester Mathematik studiert und ist dann Tierarzt geworden. Er hat mehrere  Bücher geschrieben, unter anderem „Russia's Carnival: The Smells, Sights, and Sounds of Transition“ (Rowman & Littlefield), "Die Ostsee: Das Meer in unserer Mitte" (mare) und „Die Nudel: Eine Kulturgeschichte mit Biß” (Deuticke).