Transparenz - Konjunkturen und Kritiken

Robert Kehl
Transparenz - Konjunkturen und Kritiken

E-Blockseminar, Deutsch/Englisch 2 SWS, 2 ECTS, 3 Plätze
Die genauen Termine werden noch bekanntgegeben, voraussichtlich Donnerstags, 12-14 Uhr, wöchentlich ab 23.4.2020
Bitte um Anmeldung unter: r.kehl@udk-berlin.de
 

Gegenwärtig ist die Metapher ‚Transparenz‘ ins politische Normenrepertoire demokratischer Öffentlichkeiten eingetragen, wo sie uns, als „Feind des Geheimnisses“ (W. Benjamin), allzu geläufig geworden ist. Bauten sollen offen erscheinen, politische Prozesse, Produktionsketten und Algorithmen sollen nachvollziehbar und anschaulich sein, denn für Ansprüche auf Gleichheit und Teilhabe kommt Intransparenz einem Kontrollverlust gleich. Transparenz ist jedoch auch in Medientheorie und Kunstkritik eine Leitkategorie, wo sie nicht selten Objekt kritischer Dekonstruktion ist: Weil Medien nie neutrale Boten seien, gilt der Anspruch auf Transparenz als trügerisch, gar ideologisch. Erst Formen der Opazität oder ‚Störung‘ machen in dieser Logik etwas anschaulich und nachvollziehbar, z. B. mediale Spezifika, perspektivierte Autorschaft oder materielle Möglichkeitsbedingungen.

Im Spektrum dieser widersprüchlichen Wertungen – Transparenz bzw. Opazität als Einsicht – offenbart sich ein Problem, das wir im Seminar begrifflich und historisch aufschlüsseln werden. Offensichtlich kann Transparenz sehr verschieden verstanden werden (physikalisch, ästhetisch, epistemisch oder motivisch), doch liegt die Produktivität der Metapher wohl gerade darin, dass sie diese verschiedenen Phänomene zu binden vermag. Zentralperspektive und Bildprojektion, Virtualität und Architektur werden uns ebenso beschäftigen wie das Begehren nach Negierung von Materialität. Dabei wird das Medium der Fotografie eine besondere Rolle spielen, insofern sie historisch immer wieder als Bildtechnik der Transparenz konzipiert und interpretiert worden ist. Transparenz und Transparenzkritik sind, das wird unser Leitfaden sein, eine wichtige und kulturell prägende Triebkraft der künstlerischen und mediengeschichtlichen Diskurse bis in unsere Gegenwart.

Einführende Literatur
Emmanuel Alloa: Transparenz/Opazität, in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, hg. von Ulrich Pfisterer. 2. erw. u. aktual. Ausg. Stuttgart/Weimar: Metzler, 2011, S. 445-449.
Dobbe, Martina: Transparenz. Unbestimmte Bestimmtheit und bestimmte Unbestimmtheit der Fotografie, in: Fotografie als theoretisches Objekt. München 2007. S. 211–229.
AK Lumière, transparence, opacité (Nouveau Musée National de Monaco) , hg. v. Jean-Michel Bouhours. Milano: Skira, 2006.

Voraussetzungen: Bereitschaft und Zeit für wöchentliche Lektüren (auch englischer Texte)

Robert Kehl: Studium der Kunstgeschichte, Gender Studies und Philosophie in Berlin und Rom, abgeschlossen 2012 mit Magister Artium am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. Anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter der Kolleg-Forschergruppe BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik am KHI der FU. 2017 Promotion (bei Prof. Klaus Krüger u. Prof. Peter Geimer) zu ästhetischen und diskursiven Modi des Vergangenheitsbezugs im Werk Luc Tuymansʼ.

Das Postdoc-Projekt befasst sich unter eine materialästhetischen Perspektive mit fotografischer ‚Transparenz‘. Forschungsinteressen liegen im Bereich künstlerischer Geschichtsarbeit, insbes. von Verarbeitungen der Geschichte des Nationalsozialismus; der medialen Ausdifferenzierung von Fotografie und Malerei seit dem 19. Jh. sowie allgemein zeitgenössischer Malerei und Fotografie.