Exponentiell – Medien und Ansteckung (E-Seminar)

Prof. Dr. Brigitte Weingart
Exponentiell – Medien und Ansteckung

E-Seminar, Deutsch/English, 2 SWS, 2 ECTS
Freitags, 11-12:30 Uhr, wöchentlich, 11 Präsenz-Termine / Video Sessions: 7.5., 15.5., 22.5., 29.5., 5.6.,12.6.,19.6., 26.6.,3.7., 10.7, 17.7.2020
(ACHTUNG: Das erste virtuelle Treffen findet am Donnerstag, den 7.5.2020 um 11 Uhr statt, da Freitag, der 8.5.2020, ein Feiertag ist).

Wenn in der Corona-Krise vom „exponentiellen Anwachsen“ der viralen Ausbreitung die Rede ist, dann geht es vor allem um die Gegenmaßnahmen, die auf den Slogan „Flatten the curve“ gebracht wurden. Demgegenüber gilt in den sozialen Netzwerken das „Viral-Gehen“ digitaler Inhalte als Erfolgsmerkmal – wenn es nicht gerade Fake News oder Gerüchte sind, die sich „epidemisch“ verbreiten.

Dass mediale Übertragung als Form der Ansteckung gedacht wird, ist keine Erfindung der Digitalkultur. Auch die Vorliebe, auf die Bildlichkeit des Virus zu rekurrieren, um das unsichtbare Wirken, die rasante Vervielfachung und die grenzüberschreitende Ausbreitung von Informationseinheiten plastisch und mitunter drastisch darzustellen, geht der Zirkulation sowohl von Internet-Memes wie von Computerviren voraus: „Language is a virus from outer space“, wie der Beat-Literat William Burroughs schon 1962 diagnostizierte. Es ist aber auch kein Zufall, dass die Vorstellungsfigur des Virus in den 1980er Jahren, nämlich unter Vorzeichen der AIDS-Krise, eine erneute Konjunktur erlebte: Schließlich erinnern uns Epidemien nicht nur an die Durchlässigkeit unserer Körpergrenzen, sondern rufen überdies die der Vorstellungsfigur eines kollektiven, hybriden Körpers auf, der durch Transportmittel und Datenüberträger mitkonstituiert wird. Und auch die Medienberichterstattung über COVID-19 erweist sich als Schauplatz von Grenzverhandlungen, wobei die biopolitische Figur des Kollektivkörpers mit der Vorstellung digitaler Konnektivität auf Distanz eigentümliche Verbindungen eingeht (etwa in der Debatte über Tracking Software).

Im „Webinar“ beschäftigen wir uns mit dem Verhältnis von Medien und Ansteckung aus verschiedenen Perspektiven – ausgehend von der aktuellen Situation, aber immer auch mit Blick auf historische Pandemien. Dabei geht es zunächst um den Zusammenhang von Körpervorstellungen und der Figur des Virus als „Fremdkörper“ (anhand von Texten u.a. von Susan Sontag, Donna Haraway und Michel Foucault sowie von Filmen des Genres „Virenthriller“ wie OUTBREAK und CONTAGION oder des Self-Care-Psychodramas SAFE; weiteres Material wird aus der aktuellen Berichterstattung über COVID-19 herangezogen).

Einen weiteren Schwerpunkt bilden theoretische und künstlerische Versuche, die Wirkung von Medien selbst als Ansteckung zu konzeptualisieren – von ansteckenden Blickkontakten und der Idee der „contagion mentale“ über grassierende Gerüchte und Propaganda bis zur sogenannten Memetik (Richard Dawkins u.a.) und der „Meme Magic“ im Internet. Ein Fokus liegt dabei auf Texten, Bildern und Filmen bzw. Clips, die sich die epidemischen Logiken, die sie thematisieren, selbst auf die eine oder andere Weise zu eigen machen, also ihrerseits auf „Ansteckung“ abzielen (z.B. VIDEODROME ).

Neben einem Einführungstermin sind 10 „Sitzungen“ geplant, die jeweils Freitags von 11-12.30 Uhr stattfinden (via Webex oder DFNconf). Zumindest sollten sich die Teilnehmer*innen diesen Termin freihalten – wir werden sehen, welche Form des Austauschs sich konkret bewährt.

Literatur:
Paul B. Preciado, Vom Virus lernen: https://www.hebbel-am-ufer.de/hau3000/vom-virus-lernen/
Brigitte Weingart:, „Krass dringende Nachricht an euch alle“. Corona-Krise und Gerüchte-Pandemie, 7.4.2020., https://www.zfmedienwissenschaft.de/online/blog/coronakrise_geruechtepandemie

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein:
aktive, regelmäßige Mitwirkung und Beteiligung an einer Recherchegruppe mit Präsentation.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: orientierend, kritisch
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, aneignen

Brigitte Weingart ist seit Sommersemester 2020 als Professorin für Medientheorie am Institut für Theorie und Praxis der Kommunikation an der UdK tätig. Zuvor war sie Professorin für Medienkulturwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (2019-2020) und an der Universität zu Köln (2014-2019) sowie u.a. Alexander von Humboldt-Fellow an der Columbia University in New York. Seit 2013 arbeitet sie in der Redaktion der Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM) mit, die sie seit 2019 leitet. Zu ihren Schwerpunkten in Lehre und Forschung gehören die Theorie und Geschichte der Bildschirmmedien, der visuellen Kultur und der Literatur bzw. schriftbasierten Kommunikation, Film- bzw. Bewegtbildanalyse, Intermedialität (Text-Bild-Verhältnisse), Medienanthropologie und Wissensgeschichte (Kollektivsymbolik und Epistemologie der Ansteckung; Theorie und Poetik des Blicks; Magie als Affekttheorie; Medienästhetik der Faszination), Pop/-theorie und Celebrity Studies sowie Gerüchtekommunikation.  Weitere Informationen unter www.brigitte-weingart.de.