Biopoetik. Metamorphosen der Innerlichkeit (Seminar, Deutsch/English)
Dr. Andreas Weber
Biopoetik. Metamorphosen der Innerlichkeit
Seminar (Deutsch/English), 2 SWS, 2 LP
Dienstag, 16-18 Uhr, wöchentlich ab 20.10.2015, Hardenbergstr. 33, Raum 004
Die Lebenswissenschaften befinden sich in einem Umbruch wie er vor hundert Jahren die Physik traf. Statt einer Sichtweise von Lebewesen als Biomaschinen erweist sich Lebendigkeit immer deutlicher als ein Prozess der schöpferischen Verwandlung, Erfahrung, Bedeutung und Imagination. Sind Lebwesen subjektive, Bedeutungen schaffende, existentiell verankerte, schöpferische Knoten von Weltprozessen? Ist Wildnis nichts näher als Kunst? Im Seminar erarbeiten sich die Studierenden Schlüsseltexte einer Biologie als Ausdrucks- und Bedeutungstheorie und -praxis. Ziel ist das Verständnis eines alternativen Mainstream biologischen Denkens, für den Lebendigkeit nicht durch Ursache-Wirkungsketten sondern durch die Erfahrung von Subjektivität und die Imagination von Neuheit und Verwandlung gekennzeichnet ist. Gelesen werden Texte etwa von Varela, Jonas, Gould, Abram, Merleau-Ponty, Serres, Haraway, Uexküll, Bateson, Snyder, Deleuze, Bachelard, Kronauer.
Qualifikationsziele: Befähigung zur eigenständigen Auseinandersetzung mit Fragestellungen zur verkörperten Ästhetik, zum Begriff des Embodiment und der Lebendigkeit. Bewusstsein für die Debattenlage hinsichtlich Subjekt/Objekt-Trennung, Leib-Seele-Problem, Identität, Selbst, Expression und Imagination. Ausbildung eigener argumentativer Kompetenzen.
Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Impulsreferat (ca. 5 Minuten) und kurzer Essay.
Literatur zur Einführung:
Abram, David: Im Bann der Sinnlichen Natur. Klein Jasedow: thinkOYA, 2012.
Jonas, H.: Organismus und Freiheit. Ansätze zu einer philosophischen Biologie. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1973.
Snyder, Gary: Lektionen der Wildnis, Berlin 2011.
Varela, F. J. / Thompson, E; Rosch, E.: The embodied mind. Cognitive science and human experience. Cambridge, Mass.: MIT Press. Deutsch als: Der mittlere Weg der Erkenntnis. München: Goldmann, 1995.
Weber, A. / Varela, F.J.: “Life after Kant. Natural purposes and the autopoietic foundations of biological individuality”. Phenomenology and the Cognitive Sciences 1: 97-125, 2002.
Weber, Andreas: Alles fühlt. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften, Berlin-Verlag 2007 (Neuauflage thinkOYA 2014).
Weber, Andreas: Enlivenment. Towards a fundamental shift in the concepts of nature, culture and politics. Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2013.
Weber, Andreas: Lebendigkeit. Eine erotische Ökologie. Kösel 2014.
Ein Seminarreader mit relevanten Texten wird zur Verfügung gestellt.
Dr. Andreas Weber, geb. 1967, studierte Biologie und Philosophie in Berlin, Freiburg, Hamburg und Paris. Er promovierte bei Hartmut Böhme (Berlin) und Francisco Varela (Paris). Journalistische Arbeiten seit 1994, vor allem für GEO, Merian, Die Zeit, mare, Greenpeace Magazin, oya. 2003/2004 Lehrauftrag im Fach Journalistik an der Universität Hamburg, seit 2014/2015 Lehrbeauftragter an der Leuphana Universität Lüneburg. Andreas Weber lebt mit seinen zwei Kindern in Berlin und Italien. In seinen literarischen Sachbüchern setzt sich Weber für eine Überwindung der mechanistischen Interpretation von Lebensphänomenen ein. Weber entwickelt eine neue Sicht des Lebendigen als Phänomen des fühlenden Selbstausdrucks und einer schöpferischen Ökologie. Organisches Dasein wird von ihm beschrieben als die kontinuierliche Selbsterschaffung fühlender, wertender und Bedeutung setzender Subjekte vor dem Hintergrund der Möglichkeit des Todes. Weitere Informationen unter www.autor-andreas-weber.de.