Das Orale: Figurationen von Lust, Libido und Leid im Raum der Mundhöhle (Seminar)

Das Orale: Figurationen von Lust, Libido und Leid im Raum der Mundhöhle
Dr. Susann Neuenfeldt

Seminar, 2 SWS, 2 LP
Donnerstag, 16-18 Uhr, wöchentlich ab 22.10.2015,  Hardenbergstr. 33, Raum 004

Das Seminar untersucht den Raum der Mundhöhle – die Lippen, die Zähne, die Zunge, den Gaumen und den Rachen – als einen performativen Raum, in den kulturelle Praktiken der Lust, des Begehrens und des Leidens eingeschrieben sind. Das Seminar nimmt ganz primäre Praktiken wie etwa das Lutschen, das Saugen, das Lecken oder das Beißen in den Fokus seiner Untersuchungen und fragt nach den kulturellen, das heißt nach den kulturgeschichtlichen, politischen und popkulturellen Dimensionen der jeweiligen Praktik für den westlichen Kontext. Dafür bezieht das Seminar künstlerische Arbeiten ein, in denen die Mundhöhle als ein kultureller Raum ausgestellt und ihre verschiedenen Funktionen überhöht, skandalisierend oder auch monströs in den Fokus der künstlerischen Arbeit genommen werden. So werden wir uns etwa mit dem Motiv des lasziven offenen Mundes (z. B. Malerei: „Der schreiende Papst“, Francis Bacon 1953), mit der zahnärztlichen Behandlung als einer Form der erotischen Folter (z.B. Film: „Marathon Man“, USA 1976) oder auch mit dem Motiv der zwiespältigen Zungen (z.B. Installation: „Tausend Zungen“, Thomas Schütte 1993) oder des verschlossenen Mundes (z.B. Performance: „Der vernähte Mund“, Pyotr Pavlensky 2012) beschäftigen. Ziel des Seminars ist es, ein kulturelles Paradigma des Oralen zu erarbeiten, das alltägliche ebenso wie künstlerische Praktiken der Mundhöhle in ein Verhältnis zueinander setzt.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Beteiligung an den Seminardiskussionen und eine Abschlusspräsentation von ca. 10 min in einer Arbeitsgruppe. Die Abschlusspräsentation kann als konventioneller Vortrag aber auch in performativer Form absolviert werden.

Literatur:
Aggermann, Lorenz. Der offene Mund: Eine unergründliche Figuration des Oralen.In: Das Orale –Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. München: Fink, 2013, S. 237-244.
Böhme, Hartmut. Aggressive Oralität. In: Das Orale – Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. München: Fink, 2013, S. 99-111.
Böhme, Hartmut / Slominski, Beate: Einführung. In: Das Orale – Die Mundhöhle in Kulturgeschichte und Zahnmedizin. München: Fink, 2013.
Neuenfeldt, Susann: Zähne zeigen: Das Dentale, der Kalte und Postkalte Krieg. In: Das Dentale. Hg. Hartmut Böhme/Beate Slominski. Im Erscheinen.

Dr. Susann Neuenfeldt, geboren 1974 in Schwedt/Oder, ist Kulturwissenschaftlerin und Theaterregisseurin. Sie studierte Amerikanistik und Germanistik an der HU Berlin und promovierte zum Zusammenhang von Gender, visuellen Regimen und weiblichen Betrachterfiguren. Ihr Buch „Schauspiele des Sehens: Die Figur der Flaneurin, Voyeurin und Stalkerin“ ist im Winter Verlag erschienen. Derzeit forscht sie künstlerisch an Ihrem Postdoc-Projekt „Auf den Zahn fühlen: Dentale Politiken im Kulturellen Imaginären des Kalten Kriegs“. Seit 2004 ist sie als Lehrbeauftragte in der Amerikanistik, den Gender Studies, der Germanistik und der HUWISU der HU tätig. Außerdem arbeitet sie als Regisseurin des Berliner Theaterkollektivs Panzerkreuzer.Rotkäppchen. Ihre diversen Stücke wie etwa: „Inglourious Lolitas“ (2012), „NaKKt unter Wölfen“ (2013), „Bartleby, der Schreiber“ (2014), „Hänsel | Gretel | Phase III“ (2014) behandeln postsozialistische Themen in märchenhaften Zwischenbildern aus abseitigen Perspektiven. Zusammen mit dem Berliner Künstler und Amerikanisten Dr. Simon Strick unterhält sie die Kolumne „Hallo Karthago/Hallo Rom“ in der Politikzeitschrift POLAR.