Paul Celan. Der Meridian und Lyrik

Dr. Gerald Wildgruber
Paul Celan. Der Meridian und Lyrik

Seminar, 2 SWS, 2 ECTS, 5 Plätze
Mittwochs, 12-14 Uhr, wöchentlich ab 16.10.2019, Technische Universität, Straße des 17. Juni 135, 10623 Berlin, Hauptgebäude, Raum H 2051

Im Zentrum des Seminars steht das Studium poetologischer Texte des Lyrikes Paul Celan (1920-1970), darunter am wichtigsten seine Rede vom 22. Oktober 1960 anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner Preises: „Der Meridian“. Ziel ist die Erarbeitung und Konturierung des Begriffs der Literatur aus produktionsästhetischer Perspektive, also der Versuch, Einsicht in die Werke der Literatur von der Seite ihrer Verfahrensweisen und Methoden zu gewinnen. Thematisch orientiert sich die Lektüre an der im „Meridian“ explizit wie implizit gegenwärtigen Frage nach dem ambivalenten Ort der Literatur in Grenzbereichen des Menschlichen, diesem verpflichtet, aber seit ihren Anfängen mit einem Jenseits der Menschlichkeit (Celans „Hinaustreten aus dem Menschlichen“) in Kontakt tretend. Gewalterfahrungen des 20.Jh kommen dabei ebenso in Betracht wie das, was sich in den Chiffren der Maschine und des Automaten, des leblosen Doubles, wie auch der Natur ausspricht. Celans weitreichendem Bezug auf Georg Büchners Novelle „Lenz“ (1839) nachgehend, werden wir diesen kurzen und für die moderne deutsche Literatur so wichtigen Text lesen, v.a. hinsichtlich der darin behandelten Begegnung von Alterität in Form des Wahnsinns und seiner Sprache. Diese Textlektüren werden Gelegenheit geben, wenn auch nur en passant, literaturtheoretische Grundbegriffe wie Mimesis, Metapher, Metrik, Text, Fassung und Formalisierung zu streifen. Der Blick schließlich auf Celans eigene Lyrik soll nicht in Zusammenhang zum „Meridian“ gebracht werden, erfolgt also nicht im Sinne der „Illustration“ der poetologischen Reflexionen, sondern hat den Zweck, im Seminar auch aktuale Literatur blockhaft und unverbunden gegenwärtig zu machen und in ihrer Differenz zur Form des Wissens und des wissenschaftlichen Denkens aufscheinen zu lassen.

Textgrundlage des „Meridian“ ist der entsprechende Band (Hg. B. Böschenstein) im Rahmen der „Tübinger Ausgabe“ (Suhrkamp, 1999). Für die Lyrik kommen mehrere Editionen in Betracht, z.B. die kommentierte Gesamtausgabe der Gedichte in einem Band (Hg. Barbara Wiedemann, Suhrkamp, 2005 oder neu 2018).

Literaturhinweise:
Böschenstein, B. (Hrsg), Tübinger Ausgabe, Suhrkamp, 1999.
Wiedemann, Barbara (Hrsg), Gesamtausgabe Gedichte Paul Celan, Suhrkamp, 2005 oder neu 2018.

Gerald Wildgruber, Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, Philosophie und Romanistik in München und Paris. Maîtrise an der Sorbonne Nouvelle im Fach Littérature Générale et Comparée über die Form des Flaubertschen Spätwerks (Trois Contes, Tentation und Bouvard et Pécuchet) zwischen Kunst, Religion und Wissenschaft (Pratiques d’Exinanition. Sur la clôture flaubertienne du religieux). Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Vergleich dichterischer und spekulativer Formgebung, Rhythmus und Logik, bei Hölderlin und Hegel (Studien zum Verhältnis von Natur und Kunst bei Friedrich Hölderlin und Georg Wilhelm Friedrich Hegel). Gegenwärtige Position: Qualifikationsstelle zur Habilitation am Fachgebiet Literaturwissenschaft der TU Berlin, Arbeit zur Fiktion als Methode im Grenzbereich zwischen Literatur und Wissenschaft (Paul Valéry und Stéphane Mallarmé als Leser Descartes’).