Nach der Askese. Genealogien und Re-Imaginationen nachhaltiger Gesellschaftsentwicklung

Dr. PD Jens Jetzkowitz | Anna Lauenstein
Nach der Askese. Genealogien und Re-Imaginationen nachhaltiger Gesellschaftsentwicklung

Blockseminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS
Samstag/Sonntag, 10-18 Uhr, 26./27.10. und 16./17.11.2019,
Hardenbergstr. 33, Raum 110

Wenn die Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen erhalten bleiben sollen, dann muss sich die gegenwärtige Generation einschränken, Ressourcen sparen, weniger konsumieren, etc. Also: Askese statt Schlaraffenland – durchzusetzen mit moralinsauren Botschaften und sozialer Kontrolle. Wie könnte ein Perspektivenwechsel gelingen, der Chancen statt Verzicht eröffnet? Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei „nachhaltiger Entwicklung“ um eine Idee handelt, die jede Gesellschaft wie selbstverständlich voraussetzt – nämlich Lebensweisen zu praktizieren, die auch in Zukunft realisierbar sind –, werden in diesem Seminar zunächst Texte zum Verständnis des Konzeptes und der Genealogie „nachhaltiger Entwicklung“ diskutiert. Zentral für diese Diskussion wird sein, das Konzept „nachhaltiger Entwicklung“ nicht nur auf  Umweltaspekte zu reduzieren, sondern auch auf die mit ihm verwobenen Fragen nach intra- und intergenerationaler Gerechtigkeit aufmerksam zu machen. In diesem Kontext wird auch zu diskutieren sein, inwiefern die Idee der Nachhaltigkeit innerhalb einer kapitalistischen Wirtschaftsweise schon längst vereinnahmt und instrumentalisiert worden ist und die in der europäischen Moderne entwickelte Trennung von Natur und Kultur überwunden werden muss. Damit der Begriff also seinen eigentlichen Sinn entfalten und ein Perspektivenwechsel glücken kann, müssen eingelebte Erkenntnis- und Bewertungsstrukturen überdacht werden. In diesem Sinne wird eine diskursanalytische Methode an Texte und Bilder weiterführend sein.
Während die theoretischen und methodischen Teile Orientierung verschaffen, wagen wir uns daran anknüpfend an eigene künstlerische Entwürfe, die mögliche andere Ordnungen und Handlungsweisen imaginieren oder die Experimentalreihen und Szenarienbildungen für ein anderes mögliches Leben sein können. Durch die künstlerischen Skizzen können   Dissonanzen, Widersprüche, Machtverhältnisse und Ausbeutungsbeziehungen sichtbar werden oder sie vermögen unsere Vorstellungen vom guten Leben umzuschreiben. In diesem Kontext lernen wir auch eine Vielzahl von zeitgenössischen künstlerischen Positionen und Ansätzen kennen. Eine Veränderung von Strukturen beginnt mit der Arbeit an Imaginationen und Spekulationen.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: aktive und, regelmäßige Teilnahme und Präsentation einer eigenen Darstellung.

Schwerpunkte:
Ausrichtung der Veranstaltung: politisch, vorwärtsgewandt
Kompetenz/Aktivität der Teilnehmenden: reflektieren/denken, transformieren

Jens Jetzkowitz, Studium der Soziologie, ev. Theologie, Psychologie und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg, 1995-2005 Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg, 1996-1999 Promotion im Fach Soziologie; Dissertationsschrift zum Thema „Recht und Religion in der modernen Gesellschaft“, 2002-2005 Leitung des Forschungsprojektes „Die Zusammenhänge zwischen den Veränderungen in der dörflichen Vegetation häufig gestörter Lebensräume und dem Wandel ländlicher Lebensstile“, gemeinsam mit dem Biologen Dr. Stefan Brunzel, Philipps-Universität Marburg, 2006-2012 Mitarbeiter in Forschungsprojekten am Institut für Umweltkommunikation der Universität Lüneburg, am Institut für Sozioökonomie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung e.V. und an der Katastrophenforschungsstelle der FU Berlin. Lehraufträge an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt, an der Humboldt-Universität Berlin und an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, 2012-2015 Vertretung des Lehrstuhls Wirtschafts- und Organisationssoziologie am Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,  Habilitation an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg mit einer Arbeit zum Thema "Soziologisches Wissen für den Nachhaltigkeitsdiskurs. Auf dem Weg zur Ko-Evolutionswissenschaft".

Anna Lauenstein studierte Bildende Kunst in den Klassen für Neue Medien – als Meisterschülerin bei Prof. Hito Steyerl und zuvor bei Prof. Ming Wong und Prof. Jimmy Robert – an der Universität der Künste sowie der Kunsthochschule in Athen. Zudem studierte sie Kulturanthropologie an der Humboldt Universität, Berlin und Universität Leipzig. In ihren filmischen, aber auch installativen und fotografischen Arbeiten verbindet sie künstlerische und kulturanthropologische Methoden und bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen Wissensproduktion, Poetik und Politischem, wobei eine dekoloniale Perspektive auf Europa zentral ist. Ihre Arbeiten wurden international auf Ausstellungen gezeigt; durch ein DAAD-Recherchestipendium wurde zuletzt ihre Arbeit an einem in Zusammenarbeit mit Max Hilsamer entstandenen experimentellen Dokumentarfilm in Langspiellänge gefördert.