Stimmbrüche und Vocal Failures: Die Stimme als Grenzgängerin

Dr. Malte Kobel
Stimmbrüche und Vocal Failures: Die Stimme als Grenzgängerin

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS, 5 Plätze
Mittwochs, 14-18 Uhr, 14tägig, Fasanenstr. 1B, Raum 212
(zweiwöchentlich: 26.04. / 10.05. / 24.05. / 07.06. / 21.06. / 05.07. / 19.07.)
Anmeldung ab dem 15.03.2023 über das Online-Vorlesungsverzeichnis! Anmeldungen per Mail können nicht berücksichtigt werden.
Achtung: Für Studierende der Fakultät Musik nicht als Studium Generale anrechenbar!

Was passiert, wenn die Stimme versagt? Zum Beispiel im Stottern und im Verhaspeln von Worten? Es ist dann, als ob etwas Fremdes die Stimme einholt, als ob da etwas auf den Stimmbändern sitzt, das nicht Ich ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Stimmbruch, der den Klang der Stimme verändert. Aber was ist diese andere Stimme? Meine eigene oder eine andere Identität? Ein anderer Körper? Ein anderes Wesen? Statt Sprache und Kommunikation offenbart die versagende Stimme ihre körperliche Gebundenheit, womöglich ihr Geschlecht – bzw. im Falle des Stimmbruchs, die immer schon fragwürdige Festschreibung eines binären Geschlechts. In der Stimme, gerade wenn sie versagt, klingt etwas Anderes mit als Kommunikation.

In diesem Seminar wollen wir uns mit Theorien der Stimme befassen und anhand von Beispielen dem Phänomen „Stimme“ auf die Spur kommen. Gerade die musikalische Stimme, als eine immer schon performante Stimme, eignet sich hierbei besonders gut als Anhörungsbeispiel. Beispiele können u. a. sein: Praktiken des Jodelns, wo das „Brechen“ der Stimme eine eigenständige Ästhetik bildet, experimentelle Stimmpraktiken von Joan La Barbara oder Diamanda Galás oder generell Stimmen, die im Laufe ihres Lebens sich verändern. Die Texte, die wir zu jeder Sitzung lesen, kommen aus den Musikwissenschaften, der psychoanalytischen Kultur-theorie, aus den Sound Studies, aus Queer Theory und Voice Studies. Der Großteil der Texte wird auf Englisch gelesen, gute Englischkenntnisse sind daher von Vorteil.

Begleitend zur theoretischen Textlektüre bringen Studierende zu den Sitzungen Beispiele mit, die wir im Kurs anhören und kritisch diskutieren wollen. Als Seminarleistung (aktive Teilnahme) können Podcasts oder andere Audioformate erarbeitet oder auch Referate gehalten werden.

Literaturhinweise:
Mladen DOLAR: His Master’s Voice: Eine Theorie der Stimme, Frankfurt a. M. 2011.
Martha FELDMAN: „Voice Gap Crack Break“, in: dies. und Judith T. Zeitlin (Hgg.), The Voice as Something More: Essays Toward Materiality, Chicago 2019, S. 188–208.
Freya JARMAN-IVENS: Queer Voices. Technologies, Vocalities, and the Musical Flaw, New York 2011.
Jonathan STERNE: Diminished Faculties: A Political Phenomenology of Impairment, Durham 2021.
Emily WILBOURNE: „Demo’s Stutter, Subjectivity, and the Virtuosity of Vocal Failure“, in: JAMS 68 (2015), Heft 3, S. 659–663.

Leistungsanforderungen:aktive und regelmäßige Teilnahme.

Malte Kobel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Popmusik und ihre Geschichte an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart. 2022 wurde er an der Kingston University London promoviert mit der Arbeit „The musicking voice: performance, affect and listening“. Die Promotion wurde ausgezeichnet mit Stipendien der Kingston University London und techne/AHRC. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Pop Music Studies, Performance Studies, Medientheorie, Musikästhetik und Stimme. Malte Kobel hat Artikel publiziert u.a. in Journal for Cultural Research, Sound Studies und Pulse – the Journal for Science and Culture sowie in verschiedenen Sammelbänden. Darüber hinaus ist er aktiv als Teil des Berliner Musiklabels Hyperdelia.