Ästhetische Begegnungen: freie musikalische Improvisation in der Gruppe

Prof. Gisela Linnen
Ästhetische Begegnungen: Freie musikalische Improvisation in der Gruppe - Ausdruck, Begegnung, Verständigung

Blockseminar, Deutsch/English, 1-2 SWS, 1-2 ECTS (ja nach Leistung)
Samstags, 11-14:30 Uhr, 4 Termine: 4.5., 11.5.,1.6., 8.6.2024
Udk-Gebäude am Mierendorffplatz in der 2. Etage (Musiktherapie-Studiengang)

Anmeldung per Mail an g.linnen_ @udk-berlin.de

Ästhetischer Ausdruck mittels Klang und Musik, besonders in der freien musikalischen Gruppen-Improvisation, ist eine spezielle und vielseitige Art des Sprechens, des Gesprächs und der Begegnung. Der musikalische Prozess im freien Improvisieren ermöglicht einerseits ein spontanes, unmittelbares Sich-Mitteilen und Aufeinander-Reagieren, er setzt andererseits aber auch komplexe Transformationsprozesse in Gang. Die "Sprachähnlichkeit" in der Musik und die "Logik" der musikalischen Handlungen ermöglichen derartige Prozesse; sie wandeln Außermusikalisches in musikalische Ideen um, nehmen individuelle Erlebnisse und Beziehungserfahrungen des Alltags auf und stellen zusätzlich einen Kommunikations- und Entwicklungs-Spielraum dar, in dem ein Ko-Agieren von individuellen Erfahrungen mit kulturell und ästhetisch diversen Erfahrungen nachvollziehbar werden kann.

Auf Grundlage dessen bietet dieses Seminar an, mit Hilfe freier Improvisationsprozesse einen musikalischen und sozialen Raum zu schaffen, der kollaborative Werkprozesse ermöglicht und darin der Vulnerabilität menschlicher Existenz Platz bietet. Temporäre (musikalisch-)ästhetische und (musikalisch-)psychologische Verortungsentscheidungen sowie ästhetische „Fähigkeiten“ und „Unfähigkeiten“ können ebenso wie affektive Normen erforscht und besprochen werden und sich dabei mit der raumzeitlichen Bewegung von Klang / Musik befasst werden. Verständigung wird im Rahmen dieses Formats abgetastet, indem individuelles und kollektives musikalisches Agieren daraufhin untersucht werden, wie sich in ihnen individuelles affektives Denken auf Musikalisches überträgt und darin fortsetzt. Ziel dieses Formats ist, der Notwendigkeit, sich expressiv zu äußern, einen Entfaltungsspielraum zu geben und dieses im musikalischen Prozess und in verbalen Beschreibungen miteinander auszutauschen. Dabei liegt der Fokus darauf, in der musikalischen Gruppenarbeit insgesamt ästhetische Erfahrungen zu kreieren, bei denen im Vordergrund steht, miteinander musikalische Beziehungen zu entwickeln, ohne ein vorab bestimmtes Ergebnis anzielen zu müssen.

Mit der Ausrichtung des Formats wird sich an Behandlungsmethoden aus der Musiktherapie orientiert, die den Klang, das Tönen als narrativen Ausdrucksträger nutzen, um inneres Erleben – ins (Kunst-)Werk gesetzt – zu kommunizieren. Der therapeutisch orientierte ästhetische Spielraum ermöglicht, einen Schutzraum zu schaffen, in dem innere Unsicherheiten und Widersprüchen ohne Entscheidungsnot erscheinen, gefahrlos ausgedrückt, wahr- und angenommen werden können. Das bietet die Chance, in der Gruppe daran zu arbeiten, paradoxen Situationen zu begegnen, sie miteinander im ästhetischen „Probehandeln“ zu gestalten und in Transformationsprozessen weiterzuentwickeln. Ergänzend dazu wird das Entdecken und Anwenden von expressiven Vokabularien mit Hilfe musiktheoretischer Reflexion individuell und kollaborativ in der Gruppe erforscht und vertieft.

Die Zahl der Teilnehmenden ist auf 12 Personen begrenzt. Es sind keine musikalischen Vorkenntnisse nötig. Es wird vielfältiges Instrumentarium zur Verfügung gestellt.

Leistungsanforderungen:
Für 1 ECTS:
Aktive und regelmäßige Teilnahme an allen Sitzungen. Zum Ende des Seminars soll eine formlose schriftlich angefertigte Reflexion der persönlichen Erfahrungen zum Seminarthema eingereicht werden (ca. 3 Seiten). Zur Anregung und Unterstützung wird ein pdf-Reader zur Verfügung gestellt.
Für 2 ECTS: Aktive und regelmäßige Teilnahme an allen Sitzungen. Zum Ende des Seminars soll eine Reflexion der persönlichen Erfahrungen zum Seminarthema in Form eines Essays (ca. 5 Seiten) eingereicht werden. Umfangreiche Lektüre des Readers wird vorausgesetzt.

Gisela Linnen, Studium der Fächer Klavier, Musiktherapie und Musiktheorie an der Universität der Künste Berlin, Promotion im Fach Musiktherapie (Dr. phil.) an der WWU Münster. Derzeit tätig als Gastprofessorin für Musiktheorie an der UdK Berlin, klinische Musiktherapeutin in der ambulanten psychiatrischen und palliativen Versorgung in Berlin und Nürnberg und als Gastdozentin für Musiktherapieforschung im Master of Arts Therapies an der Codarts hoogeschool voor de kunsten in Rotterdam. Besonderes Forschungsinteresse an musikalischer Stilbildung und psychohistorischen Effekten.