Er/Zählen: Judith Schalanskys Vermessungsstrategien

Dr. Daniela Doutch
Er/Zählen: Judith Schalanskys Vermessungsstrategien

Seminar, Deutsch, 2 SWS, 2 ECTS, 5 Plätze
Donnerstags, 12-14 Uhr, wöchentlich ab 19.10.2023
Hauptgebäude der TU Berlin, Raum H 2033

Anmeldung per Mail bis 19.10., 10 Uhr unter doutch_ @tu-berlin.de

In Judith Schalanskys (*1980, Greifswald) Prosatexten gibt es nicht nur viel zu lesen, sondern auch viel zu sehen und sogar zu ertasten, denn die Autorin ist bekannt dafür, dass sie ihre Bücher von der Schrifttype, über die Papierwahl und Illustration bis hin zum Satz komplett selbst gestaltet. Die akribische Buchgestaltung spiegelt sich auch in ihrer Poetik wider: Schalansky versteht sich meisterhaft darauf, das Verhältnis von Sprache, Bild und Welt immer wieder neu zu vermessen. In geradezu naturwissenschaftlicher Manier eignet sie sich Formen des Kartographierens, Aufzählens und Verzeichnens an und lässt diese zum Motor von Geschichten werden, die ihren eigenen Entstehungsprozess stets mitreflektieren und dabei eine sprachliche Perspektive auf ein Weltgeschehen inszenieren, das gerade in seiner Undurchdringlichkeit und Dynamik Versuche des kontinuierlichen Vermessens – insbesondere computerbasierte – problematisiert. Im Seminar werden wir Schalanskys Fraktur mon Amour (2006), Atlas der abgelegenen Inseln. Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde (2009), Der Hals der Giraffe. Bildungsroman (2011) und Verzeichnis einiger Verluste (2018) gemeinsam lesen, schauen, ertasten und ihre jeweilige Spezifizität eines 'vermessenden Er/Zählens' herausarbeiten. Anhand ausgewählter Sekundär- und Theorietexte werden wir uns mit Fragen der Buchgestaltung ebenso befassen (z.B. Monika Schmitz-Emans Buchgestaltung als Poiesis, 2021) wie mit Formen des Wissens, die über das Kartographieren, Aufzählen und Verzeichnen generiert werden (z.B. Urs Stäheli: Das Soziale als Liste. Zur Epistemologie der ANT, 2011).

Leistungsanforderungen: regelmäßige, aktive Teilnahme

Daniela Doutch, seit September 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Literaturwissenschaft der TU Berlin. Davor wissenschaftlicher Mitarbeiterin am Institut für deutsche Sprache und Literatur I an der Universität zu Köln und Koordinatorin an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsschwerpunkte: Literatur der Moderne; Literatur und Medien (insbesondere Fotografie); Tastdiskurse um 1900; Zeitkonfigurationen und Kybernetik in Kunst und Literatur der Gegenwart.
Publikationen: Zum unmittelbaren Kontakt. Poetik des abtastenden Umschreibens in Hermann Brochs Die Schlafwandler, Köln 2019; (Hrsg., gem. mit Anna Dabrowska, Julia Martel, Alexander Weinstock) Verkörperungen des Kollektiven. Wechselwirkungen von Literatur und Bildungsdiskursen seit dem 18. Jahrhundert, Bielefeld 2019; Zwischen – denken. Herta Müllers und Katie Mitchells Reisende auf einem Bein, in: Norbert Otto Eke, Christof Hamann (Hrsg.), München 2020, 114–123.