Autosoziobiografisches Erzählen in Literatur und Film

Dr. Elena Meilicke
Autosoziobiografisches Erzählen in Literatur und Film

Seminar, 2 SWS, 2 ECTS
Dienstags, 10-14 Uhr, 14tägig: 25.4., 9.5., 23.5., 6.6., 20.6., 4.7., 18.7.2023, Hardenbergstr. 33, Raum 004

Registration on Moodle starts on the 17th of April / Anmeldung auf Moodle beginnt am 17.4.2023: https://moodle.udk-berlin.de/moodle/course/view.php?id=1839
Moodle Enrollment Key / Einschreibeschlüssel: ernaux


Autosoziobiografisches Erzählen hat Konjunktur – und ist seit kurzem sogar Literaturnobelpreis-nobilitiert. Der ging im Jahr 2022 an die französische Schriftstellerin Annie Ernaux, die ihre eigenen Werke als „auto-socio-biographique“ beschrieben und damit den Begriff geprägt hat. Autosoziobiografien verknüpfen die Erzählung der eigenen, individuellen Lebensgeschichte mit der Darstellung gesellschaftlicher Problemlagen, und sie behaupten mit neuer Dringlichkeit die Relevanz von Klasse und Herkunft als Kategorien von Analyse und Kritik. 

Im Seminar wollen wir autosoziobiografische Texte (etwa von Annie Ernaux, Didier Eribon, Christian Baron, Anke Stelling u.a.) sowie Essay-, Experimental- und Spielfilme (etwa von Frank Beauvais, Gabi Mathes, Joanna Hogg u.a.) in Auszügen lesen, sichten und diskutieren, um wiederkehrende Themen, Figuren, künstlerische Verfahren und Erzählweisen herauszuarbeiten – wie z.B. das Erzählen aus der Perspektive des*der Aufsteigers*in bzw. Klassenwechslers*in, das Motiv der Rückkehr zum Herkunftsort, die Auseinandersetzung mit Väter- und Mütterfiguren sowie Bildungsinstitutionen und die Thematisierung von Schwellen, Übergängen und Transitionen. Dabei wollen wir auch kritische Perspektiven entwickeln und etwa danach fragen, wie groß das gegenwartsdiagnostische und gesellschaftsanalytische Potenzial autosoziobiografischer Texte tatsächlich ist, wenn sie letztlich doch der Perspektive des Individuums verpflichtet bleiben.

Im letzten Block des Seminars wollen wir damit experimentieren, selbst autosoziobiografische Skizzen herzustellen, wobei das Medium freigestellt ist und sowohl Texte als auch (audio-)visuelle Darstellungen denkbar sind.

Sekundärliteratur (Auswahl):
Eva Blome, Philipp Lamers und Sarah Seidel (Hg.): Autosoziobiographie. Poetik und Politik, Berlin 2022.
Carlos Spoerhase: Politik der Form. Autosoziobiografie als Gesellschaftsanalyse, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Nr. 818, 2017, S. 27-37.

Leistungsanforderungen für den unbenoteten Studium-Generale-Schein: Regelmäßige aktive Teilnahme an den Seminaren, regelmäßige Lektüre und Erstellung einer eigenen autosoziobiografischen Skizze.

Elena Meilicke ist Medien- und Kulturwissenschaftlerin. Nach einem Studium der Neueren deutschen Literatur, Kulturwissenschaft und Sinologie in Berlin, Wien und Los Angeles hat sie zu Paranoia als Medienpathologie promoviert („Paranoia und technisches Bild. Fallstudien zu einer Medienpathologie“, Berlin: De Gruyter 2021). Seit 2020 arbeitet sie als wiss. Mitarbeiterin im Bereich Medientheorie an der UdK (Institut für Theorie und Praxis der Kommunikation, Lehrstuhl Prof. Dr. Brigitte Weingart). Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Medientheorie und -geschichte, Medien und Gender, zeitgenössische Film- und Serienästhetik, filmische Autosoziobiografien, Formen des Dokumentarischen sowie Geschichte, Theorie und Praxis der Filmkritik. Sie schreibt regelmäßig zu Film- und Medienthemen für die Zeitschriften „Cargo“, „Texte zur Kunst“ und „Merkur“ und wurde 2017 mit dem Siegfried-Kracauer-Preis für Filmkritik ausgezeichnet.